piwik no script img

Dschihad für Queen Mumie

Die Volksoma wird heute beerdigt und trifft im Himmel auf ihre Freundin Lady Diana

DUBLIN taz ■ Die längste Gedenkorgie seit dem Tod von Prinzessin Diana geht heute mit der Beerdigung der Queen Mother zu Ende. Zehn Tage lang hat die britische Nation um die 101-jährige Volksoma getrauert, wenn man den Zeitungen glauben darf, die ihre Auflagen mit zwanzigseitigen Beilagen über das Leben der Königinmutter angekurbelt haben. Die Daily Mail hat Gutscheine abgedruckt, und wer 20 Stück gesammelt hatte, bekam eine Queen-Mother-Gedenkrose dafür. Die BBC warf ihr gesamtes Fernsehprogramm über den Haufen und strahlte stattdessen Sondersendungen über das Leben der letzten Kaiserin von Indien aus, die seit 20 Jahren auf Abruf in den Archiven lagen.

Selbstverständlich wird das Staatsbegräbnis heute live übertragen. Doch das nützt dem Staatssender nichts mehr, der Ruf ist seit dem Tod von Elizabeth Angela Marguerite Bowes-Lyon, wie die Queen Mother hieß, ruiniert. Während die Konkurrenz von Sky News es geschafft hatte, vor der Verkündung der Todesnachricht in schwarze Anzüge zu schlüpfen, hinkte die BBC nicht nur ein paar Minuten hinterher, sondern Nachrichtensprecher Peter Sissons trug obendrein einen weinroten Schlips. Die Boulevardpresse hat jedenfalls gegen Sissons und die BBC wegen der krawattenhaften Mumienschändung eine Dschihad ausgerufen, die Daily Mail bezeichnete Sissons als „gefühllosen Idioten“. Eine ginfarbener Schlips wäre allemal passender gewesen, wenn man bedenkt, dass Elizabeth täglich ihre Ration an doppelten oder dreifachen Gins eingenommen hat.

Der Alkoholkonsum hat ihr nicht geschadet, sie war bis vor kurzem noch recht fit. Das war ihr Glück, denn körperliche oder geistige Schwäche wird bei den Windsors nicht geduldet. Prinz John, ihr 1905 geborener Schwager, hatte mit vier Jahren seinen ersten epileptischen Anfall. Fortan durfte er nicht mehr auf die offiziellen Fotos, bei der Krönungsfeier seines Vaters musste er zu Hause bleiben, und mit zwölf Jahren wurde er in einem Haus am Rande des Sandringham-Schlosses, bewacht von zwei Wärtern, eingesperrt. Seine Eltern sah er bis zu seinem Tod 1919 nicht mehr wieder.

Zwei Nichten der Queen Mother, Katherine und Nerissa Bowes-Lyon, waren 46 Jahre in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt eingekerkert. Ihre Familie hatte die beiden für tot erklärt. Und die heutigen Windsors halten es genauso: Prinzessin Alice, die Tante der Königin, wurde im Alter von 94 Jahren im Kensington-Palast weggeschlossen, dem „Tantenbunker“, wie Edward VII. das Haus nannte, weil sie unter Altersdemenz litt.

Die Trauerfeier für Elizabeth findet heute in der Westminster-Abtei statt. Bis vor ein paar Jahren hatte man eine Feier geplant, die sowohl das Fest zum Ende des Zweiten Weltkrieges, als auch die Beerdigung des Kriegspremiers Winston Churchill in den Schatten stellen sollte. Doch dann starb Diana 1997, und ihr Begräbnis ist, was die Volkstrauer angeht, kaum zu übertrumpfen. Eine pompös angelegte Beerdigung der Königinmutter, die von den Untertanen ignoriert würde, hätte ein schlechtes Licht auf die Windsors geworfen, und so fährt man die Sache eine Nummer kleiner.

Obwohl die Freundin von Prince Charles, Camilla Parker-Bowles, offiziell von der Queen zur Trauerfeier eingeladen wurde, freut sich die Nation nicht auf einen König Charles III., geschweige denn auf eine Königin Camilla. Dafür erzählen sich die Briten in der Warteschlange vor Westminster den neuesten Diana-Witz: Queen Mum kommt in den Himmel und entdeckt Lady Di. „O shit, das wird eine lange Zeit, die ich mit Diana verbringen muss, also freunde ich mich besser mit ihr an“, sagt sich Queen Mum und schwebt zu Diana herüber. „Meine Liebe, das ist aber ein schöner Heiligenschein, den du über dem Kopf hast“, sagt Queen Mum. „Dumme Nuss“, antwortet Diana grimmig, „das ist ein Lenkrad.“ RALF SOTSCHECK

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen