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Gemüse, Sex und müde Häuser

Steindamm soll kulturell aufgemöbelt werden und eine neue Moschee kommen  ■ Von Gernot Knödler

Der Steindamm beneidet die Lange Reihe. Eine von Hamburgs Problemzonen mit zu viel Sex, Drogen und Kriminalität wäre gerne eine der nettesten Straßen der Stadt mit schönen Häusern und Straßencafes. Doch eine Lange Reihe, das ist Wolfgang Schüler, dem von der Interessengemeinschaft Steindamm (IST) bestellten Quartiersmanager, klar, wird der Steindamm nie werden. „Der Kiez gehört zum Steindamm“, sagte er in einer Runde der IST mit Bürgermeister Ole von Beust (CDU) unwidersprochen. Dennoch: Die heutige Mischung aus „Gemüse, Sex und müden Häusern“ sei kein Zustand. Mit „Kunst und Kultur“ will Schüler das Image des Quartiers aufpolieren.

So wird im Sommer die Zentrale des Künstler-Kongresses Artgenda 2002 im leerstehenden Scientology-Gebäude unterkommen. Bei der Aktion Grüntöne sollen 40 Studierende Pläne zur Verschönerung der Straße entwerfen und befristet umsetzen. Schüler hofft auch auf eine Wiedereröffnung des Hansa-Theaters, dessen Verschwinden weniger mit dem Umfeld als mit Managementfehlern zu tun gehabt habe.

Die offene Drogen-Szene ist für Ralf-Georg Gronau vom Hotel Graf Moltke „so nicht mehr wahrnehmbar“, was von seinen Gästen honoriert werde. Helmut Voigt vom Bürgerverein spricht lediglich von einer Verdrängung. Karl-Heinz Ramke von der Immobilienfirma Haueisen hat jedenfalls nach wie vor Schwierigkeiten besser verdienende Familien ins Viertel zu locken.

„Wir wissen, dass einige Firmen den Gedanken haben, sich davonzustehlen“, sagte Schüler. Dabei werde das Ausmaß der Bautätigkeit im Viertel verkannt: 500 Millionen Euro würden in den nächsten zwei Jahren verbaut.

Ein besonderes Anliegen ist der IST die Integration der Einwanderer. Schüler will im Mai 40 Imame die Islamausstellung des Museums für Kunst und Gewerbe erläutern lassen, um ihnen zu zeigen, „dass der Islam dazu beigetragen hat, dass es eine europäische Kultur gibt“. Die türkischen Gemüsehändler sollen so weiterqualifiziert werden, dass auch die Pumps-Trägerinnen der neuen Büros bei ihnen einkaufen und nicht nur Hausfrauen aus der Nachbarschaft.

Die IST spricht sich klar für eine neue, im Stadtbild präsente Moschee aus. „Das verträgt der Stadtteil“, sagte Ramke. Eine sichtbare Moschee könne „eine Stätte zum Kennenlernen des Islams“ und zur Integration von Migranten werden, argumentierte Ahmet Yazici vom Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland (BIG).

Markus Schreiber (SPD), Leiter des Bezirksamtes Mitte, befürchtet für den geplanten Standort Böckmannstraße allerdings Konflikte mit dem Sanierungskonzept. Das gewünschte 50 Meter hohe Minarett sehe er „deutlich weniger euphorisch als Herr Schüler“. Ole von Beust muss sich erst näher mit dem Thema befassen und hielt sich wegen möglicher islamistischer Verbindungen der Zentrumsmoschee bedeckt.

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