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Klein, aber sein

„Es leben sehr gute Musiker hier“: Hans-Hugo Riecks Jazzkneipe, der Badensche Hof in Wilmersdorf, erscheint wie ein Relikt aus den 80ern. Obwohl es nur 30 Plätze vor der Bühne gibt, haben hier viele magische Konzerte stattgefunden

Dissonante Töne kommen in unregelmäßigen Abständen aus dem Halbdunkel. Auf der kleinen Holzbühne im hinteren Raum liegt eine geöffnete Ledermappe mit Reparaturwerkzeug. Konzentriert beugt sich der Klavierstimmer über die Tasten. Er ist oft hier. Alle zwei Wochen bestimmt. Damit nimmt es Hans-Hugo Rieck sehr genau. Aus Respekt vor der Musik. Und denjenigen, die kommen, um zuzuhören. Der Besitzer des kleinen Jazzclubs in Wilmersdorf setzt sich an einen der Holztische im ersten Raum. Jetzt um die Mittagszeit ist „der Hof“ geschlossen. Ein paar Sonnenstrahlen haben sich auf die Wände gelegt, an denen Jazzfotos von Wolfgang Frankenstein und Florin Leonties hängen. Die Fotos können auch gekauft werden, der Jazzhof als Galerie.

Konzerte finden nur am Wochenende statt, sonst kommt die Musik von selbst aufgenommenen Kassetten. „Aber nicht nur Jazz“, sagt er dazu. „Später am Abend spielen wir auch schon mal die Stones oder Van Morrison“. Der Badensche Hof erscheint wie ein Relikt aus den frühen 80er-Jahren im alten Westberlin. Eine dieser typischen Kneipen, die auch noch in Charlottenburg zu finden sind und deren Betreiber sich nicht um den Style von Mitte scheren. Rieck trägt Schwarz und Pferdeschwanz. Er ist meistens um die Mittagszeit hier und bereitet alles vor. Stellt die Stühle hin, legt die Programme aus und die Speisekarten. Er kontrolliert die Instrumente, bestellt Getränke nach und die Zutaten für das Essen. Seine „New Orleans Jazz Food“- Gerichte haben alle den Namen eines „Standards“, einer berühmten Jazzkomposition. Bestellt man sich „Ornithology“ von Charlie „Bird“ Parker, dann kommt ein Chicken Jambalaya mit Chorizo, Banane, Ananas und Reis. Rieck selbst ist eigentlich Grafiker.

Er arbeitet als Freier für ein Werbebüro und hält so die Konzerte im Badenschen Hof am Laufen. Durch die knapp 30 Plätze vor der Bühne allein wäre das nicht zu finanzieren. Meistens spielen kleine Jazz- und Bluesbands aus Berlin. „Es leben viele sehr gute Musiker hier“, sagt Rieck ernst. Viele sind aus Polen oder den USA gekommen und können sich nur mit Mühe über Wasser halten. Alexander von Schlippenbach spielt hier, Aki Takase und Coco Schumann. Aber auch der Jazzgeiger Billy Bang, Reggie Moore oder der Trompeter Benny Bailey, der jetzt in Amsterdam lebt. Da entsteht dann auch schon mal in freundschaftliches Verhältnis. Aber er geht auch Risiken ein. Als etwa Bennie Maupin und Kirk Lightsey auftraten, war es absolut leer – bis auf zwei Musiker, die Besitzer vom Qasimodo und A-Trane und einige Biertrinker an der Bar. Ein unglaubliches Konzert, ein magischer Momente. Es war sehr hell im Raum und der Schweiß lief an Lightseys Schädel hinunter. Die beiden spielten trotzdem zwei Stunden.

Am Anfang, Mitte der 80er-Jahre, gab es häufig Ärger mit den Nachbarn, und regelmäßig kam die Polizei vorbei. Fast hätte Rieck seinen Traum aufgeben müssen. Doch auf Initiative der Musiker und nach langwierigen Verhandlungen finanzierte der Kultursenat eine Schallschutzisolierung. Das sei die einzige Finanzierung, die er jemals erhalten habe, betont Rieck. Jetzt gibt es auch ein Schallmessgerät, das den Musikern anzeigt, wenn es zu laut wird. Im Ernstfall fängt es an zu biepen. Ansonsten ist meistens um ein Uhr morgens Schluss.

Eigentlich ist Rieck kein Nachtmensch. Er steht gern früh auf und fährt raus aus der Stadt, zum Spazierengehen. 54 Jahre ist er jetzt alt, glaubt er. Denn er sagt, er wisse das gar nicht so genau. Geburtstag feiern, das macht er schon lange nicht mehr. Außer wenn „der Hof“ Geburtstag hat. Immer am 11. 11., seit 1985. Er selbst spielt kein Instrument, aber sein Sohn spielt Gitarre. Riecks Vater spielte auch Jazzgitarre. In den Clubs, die es damals gab. Der „Badewanne“ und den amerikanischen Militärclubs. Er selbst war noch nie in New York, um sich dort die Jazzclubs anzuschauen. „Leider“ sagt er „spreche ich kein Englisch.“ Aber das „Village Vanguard“ würde er gern mal sehen. Irgendwann. MAXI SICKERT

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