: SPD fürchtet Wellenschlag
Das Antidiskriminierungsgesetz sollte Minderheiten zivilrechtlich stärken. Doch erst mal wurde es entschärft. Jetzt soll es in die nächste Legislaturperiode verschoben werden
BERLIN taz ■ Das von Rot-Grün geplante Antidiskriminierungsgesetz sollte eigentlich noch in dieser Legislaturperiode kommen. Doch jetzt zögert die SPD. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Alfred Hartenbach, sagte zur taz: „Wenn wir damit rechnen müssen, dass es im Wahlkampf zu hohe Wellen schlägt, wollen wir es auf die nächste Legislaturperiode verschieben.“
Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, hält es nicht für notwendig, das Gesetz zu verschieben. „Wir haben den Behindertenverbänden fest versprochen, dass es noch in dieser Legislaturperiode kommt. Ich hoffe, wir kriegen das hin“, sagte Beck.
Das Gesetz, das Justizministerin Herta Däubler-Gmelin bereits im Dezember so stolz vorgestellt hatte, soll Diskriminierung aufgrund von „ethnischer Herkunft, Geschlecht, Sexualität, Rasse oder Behinderung“ entgegentreten. Jeder, der etwa aufgrund seiner Hautfarbe eine Wohnung nicht bekommt oder keinen Einlass in eine Disko erhält, soll klagen können. Die Beweislast soll beim Beklagten liegen: Vermieter und Diskobetreiber müssen nachweisen, dass es keine Benachteiligung gegeben hat.
Am Anfang hatten noch die Kriterien Alter, Religion und Weltanschauung dazugehört – die sind mittlerweile gestrichen, um „Klagewellen“ zu verhindern. Der Punkt Religion ist gestrichen, damit sich nicht jeder in eine christliche Pflegeeinrichtung oder einen Kindergarten einklagen kann. „Die kirchlichen Einrichtungen sollen ihre Prägung nicht verlieren“, sagte Joachim Gärtner, Stellvertreter des Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche Deutschland.
Mit der Entfernung des Alters sollten Jugend- oder Seniorenvergünstigungen geschützt werden, so Hartenbach. Und bei der Weltanschauung wurde befürchtet, die NPD könne das neue Gesetz ausnutzen.
Schon im Vorfeld hatte Norbert Geis (CSU), rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, gewettert, das Gesetz greife in das verfassungsrechtlich garantierte Privateigentum ein. Alfred Hartenbach von der SPD kann das „Geschrei“ nicht verstehen: „Diese Argumentation ist Quatsch.“ Für interessanter halten Experten das Problem, ob sich das Ziel der Umkehrung der Beweislast im Rechtsalltag überhaupt verwirklichen lässt.
Ob noch weitere Änderungen kommen, ist unklar. Sicher ist: Das Gesetz kann tatsächlich nicht scheitern. Es muss eine EU-Richtlinie im deutschen Recht umsetzen. Die Frist läuft im Sommer 2003 ab. Nächste Woche wollen die Fraktionen endgültig über den Termin für das Gesetz entscheiden. NICOLE JANZ
meinung SEITE 13
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen