: Hart bis in den Tod
Milošević-Gefährte Stojiljković schießt sich vor Parlament in den Kopf. Anlass ist ein Gesetz über die Auslieferung an das UN-Tribunal
BELGRAD taz ■ Nachdem das Bundesparlament Serbiens und Montenegros das Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem UN-Tribunal verabschiedet hatte, verließ Vlajko Stojiljković die Sitzung. Der Abgeordnete der Sozialistischen Partei SPS schritt auf der breiten Treppe vor dem Parlamentsgebäude einige Minuten unruhig hin und her, nahm dann seine Beretta und schoss sich in den Kopf. Der frühere serbische Innenminister galt als einer der ergebensten Mitarbeiter von Slobodan Milošević. Stojiljković wurde vom Haager Kriegsverbrechertribunal wegen Verbrechen im Kosovo gesucht.
Wenig später brachte sich Bundesgesundheitsminister Miodrag Kovač in einem Hotelzimmer in Madrid um. Kovač war Mitglied der Montenegriner Sozialistischen Volkspartei (SNP). Die hatte erst nach heftigem internationalen Druck für die Übergabe mutmaßlicher Kriegsverbrecher an das Haager Tribunal gestimmt. Kovač’ Motive gelten jedoch als privat.
Während der hirntote Stojiljković in der Belgrader Unfallklinik künstlich am Leben erhalten wird, heizt seine Tat antiwestliche Gefühle in Serbien an. Das Gesetz über die Kooperation mit dem Haager Tribunal sei „eine verfassungswidrige Legalisierung der Kopfjagd auf serbische Patrioten“, hatte Stojiljković in seinem Abschiedsbrief geschrieben. Die Schuld an seinem Tod gab er dem „Marionettenregime“ von Bundespräsident Vojislav Koštunica und der montenegrinischen SNP für ihre Zusammenarbeit mit den „Feinden Serbiens“. Er würde sich lieber seinen „tapferen Polizisten“, die „heldenhaft für ihr Land gefallen sind“, anschließen, als das Tribunal anzuerkennen. Serbische „Patrioten werden schon wissen, wie sie mich zu rächen haben“, schloss Stojiljković.
Sein dramatischer Selbstmord wird die Auslieferung von weiteren angeklagten Serben an das Haager Tribunal erschweren. Öl ins Feuer goss Präsident Koštunica im Staatsfernsehen. Diese Tat sei eine „Warnung“ für einen Teil der Staatengemeinschaft, die Serbien „andauernd“ erpresse. Viele Parteien, die heute in Serbien an der Macht sind, könnten sich nicht vor der Verantwortung für ihre Taten und Versäumnisse drücken, die zu diesem tragischen Selbstmord geführt hätten. ANDREJ IVANJI
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