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Wäre es nur nicht so schlimm

„I could feel him! He was laughing at me!“ Die Galerie Royal zeigt Zeichnungen von Daniel Johnston, des besten Songwriters aller Zeiten, mit anrührenden Strichmännchen, ungelenken Superhelden und schrägen Wolkenkratzern

Hi, wie geht’s? Muss. Daniel Johnston, der merkwürdige Maler und Musiker, dessen „Hi, how are you?“-T-Shirts weiland vom nicht minder merkwürdigen Kurt Cobain getragen wurden, dessen Zusammenarbeit mit Velvet Undergrounds Moe Tucker, mit Sonic Youth und Half Japanese ihm in einer merkwürdigen Zeit zu einer absolut merkwürdigen Prominenz verhalf, ist mittlerweile 40 Jahre alt.

In der Galerie Royal hängen neue Arbeiten von ihm, und es hat sich nicht viel geändert. Noch immer kämpft Johnson mit Monstern: „I could feel him! He was laughing at me!“, wimmert ein sich die Haare raufendes Strichmännchen, das sich durch eine von bedrohlichen, schrägen Wolkenkratzern bevölkerte Stadt schlägt. Über dem Strichmann schwebt ein riesiger Teufel.

Johnston, dessen manische Schübe ihn immer wieder in die Psychiatrie brachten, muss das Unbegreifliche zeichnen, um damit klarzukommen. Seine Welt ist gruselig, seine Ängste die eines kleinen Kindes, das allein zu Hause gelassen wurde und nun sieht, wie die Schatten an den Wänden zu Gespenstern werden. „I hate days like this“, weint eine andere von Johnstons so klar wie dilettantisch hingekrickelten Figuren, weil hinter ihr ein entenartiger Johnston-Vogel platt gefahren wurde. Diese eigenartigen Frösche und Vögel tapern zuhauf durch seine Bilder, mit debilem Comic-Grinsen die Johnston-Enten, mit glupschigen Tentakel-Augen die Frösche. Und auch seine Captain America-Vision hat er wieder gemalt. Der ungelenke Superheld ist verliebt, sitzt auf krummen Stühlen herum oder flattert über den Rest der Bevölkerung des Johnston-Universums hinweg.

Vielleicht finden manche Betrachter Johnston, wie andere Künstler, „toll“. Oder „genial“. Oder „beeindruckend“. Die meisten werden aber eine anrührende Art von Mitleid empfinden, von Angst und dem Wunsch, ihm diese Angst zu nehmen. Am liebsten würde man Johnston, der so sehr unter seinen Neurosen leidet, dass er nicht alleine leben und reisen kann, dass er sich auch noch 40-jährig von seinen Eltern stützen und begleiten lassen muss, und dass seine Karriere als Künstler – trotz Plattencovergestaltung und einigen erfolgreich veröffentlichten Alben und Singles – ihm nicht wirklich da heraushelfen kann, am liebsten würde man ihm den Arm um die Schultern legen und ihm ein paar tröstende Worte sagen: „Ist nicht so schlimm, Daniel.“ Aber das hilft bei kleinen, verängstigten Kindern ja leider auch meist nicht. JENNI ZYLKA

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