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„Eine Reform gegen die Bürger ist Käse“

Ver.di sieht kaum Fortschritt bei der Modernisierung der Verwaltung. Dabei existieren Pläne für eine Reformbereits seit 1992. Doch im Senat ist nicht einmal klar, wer sich künftig um den Verwaltungsumbau kümmern soll

Verwaltungsreform ist ein Begriff, der in keinem Positionspapier des Berliner Senats fehlen darf. Er klingt nach Dynamik, nach Veränderung, nach Entstauben von Amtsstuben. Die Dienstleistungswerkschaft Ver.di fordert sie, der Senat will sie, und die PDS möchte gar zu ihrer treibenden Kraft werden. Das Problem dabei: Die Beteiligten verstehen nicht dasselbe darunter. SPD und PDS wollen durch die Verwaltungsreform Personalkosten senken. Für die Gewerkschaft steht hingegen Bürgernähe im Vordergrund.

In der Berliner Ver.di-Zentrale zeigt man sich daher enttäuscht. „Wir haben in Klaus Wowereit große Hoffnungen gesetzt. Leider gibt es da keine Bewegung“, sagt Pressesprecher Andreas Splanemann. Er wandte sich auch gegen Forderungen des Steuerzahlerbundes, die Zahl der Bezirke weiter zu verringern. Ein derartiger Umbau helfe nicht weiter: „Eine Verwaltungsreform gegen die Bürger ist Käse.“

Die Gewerkschaft will die Reform möglichst von der Spardiskussion abkoppeln. SPD und PDS sprechen in ihrem Koalitionsvertrag zwar auch von bürgerfreundlicher Verwaltung. Am Anfang des entsprechenden Abschnitts ist aber auch das vorrangige Ziel – „sowohl eine nachhaltige Leistungssteigerung als auch eine deutliche und dauerhafte Kostensenkung“ – benannt

Weiterhin unklar ist ebenfalls, wer sich künftig federführend um die – wie auch immer geartete – Reform kümmern soll: die Senatskanzlei, das Finanzressort von Thilo Sarrazin (SPD) oder beide zusammen als Tandem. Das kann sich nach Angaben der Innenverwaltung, eigentlich fürs Personal verantwortlich, bei einer speziellen Klausurtagung des Senats Ende April klären. Dabei wird möglicherweise auch entschieden, wer für die Verwaltungsreform künftig als Senatsbeauftragter agiert: weiterhin der externe Berater Markus Grassmann oder Exgesundheitsstaatssekretär Friedrich-Wilhelm Dopatka, ein SPD-Mann. Allerdings geht es bei der Klausur „in erster Linie darum, über Inhalte zu sprechen, nicht über das Personelle“, sagt Senatssprecher Michael Donnermeyer.

Für Ver.di liegt das Thema vorerst auf Eis. Gewerkschaftschefin Susanne Stumpenhusen hatte angekündigt, die Reform in den Gesprächen über einen Solidarpakt zu thematisieren. Dem Finanzsenator geht es aber in diesen Gesprächen darum, seinen Personalhaushalt um weitere 500 Millionen Euro kürzen zu können. Und überhaupt hat der Senat noch gar keinen Zeitplan für die Gespräche vorgelegt.

Das Thema Verwaltungsreform ist an sich nicht neu. Ein erstes Rahmenkonzept hat der Senat, damals noch schwarz-rot, bereits 1992 beschlossen. Eine Lenkungsgruppe mit Vertretern des Senats, des Abgeordnetenhauses und der Bezirke sowie unabhängige Verwaltungsexperten traf sich fortan dreimal im Jahr, später beschloss das Parlament mehrere Reformgesetze.

Das reichte nicht, befand man, und setzte im Februar 2000 zusätzlich eine Landeskommission mit dem „Senatsbeauftragten für die Gesamtsteuerung der Verwaltungsmodernisierung“ ein. Die Innenverwaltung bilanzierte Ende 2001 vorsichtig, der begonnene Reformprozess habe bereits „ein Umdenken in der Verwaltung gefördert und zu einer erhöhten Sensibilität gegenüber Fragen von Bürgernähe“ geführt.

Dennoch bleibt viel von einer Verwaltung der Verwaltung. Nach Ansicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wären in diesem Bereich 20.000 Stellen weniger nötig, wenn die Berliner Verwaltung so wie die Hamburger organisiert wäre. Als Beispiel für Bürokratisierung statt Effizienz galt lange das erst 1995 gegründete Landesschulamt, das nach Beschluss des rot-roten Senats aufgelöst wird. STEFAN ALBERTI

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