press-schlag: Am besten geht man während der Bundesliga gleich Trostsaft einkaufen
Geldgeile Meinungslose hängen ihr Fähnchen in den Wind wie die FDP
Das Beste an den Samstagsspielen ist, dass man sie, falls man den Termin aus blöden, aber durchaus vorkommenden Gründen mal vergessen sollte, auch beim verkaterten Wochenendeinkauf im Super-Berlin-Neuköllner-Karstadt durchgesagt bekommt. Während ich versuche, in meinem von dickflüssigen, nach Promille duftenden Lavamassen langsam durchströmten Hirn nach dem Einkaufszettel zu fahnden – irgendetwas brauchte ich doch unbedingt, was war das denn bloß? –, schießen die Bremer doch tatsächlich schon ein Tor gegen Schalke, das erste von dreien, was ich natürlich zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß. Sonst hätte ich vermutlich gleich eine Flasche Trostsaft in den Einkaufswagen gehievt.
So fällt mir, während die normalerweise Dinge wie „15 bitte mal die 32“ säuselnde Stimme ihr „Und nun eine Information für unsere Fußballfans: Werder Bremens Frank Baumann hat soeben ein Kopfballtor gegen den FC Schalke erzielt“ durchsagt, alles wieder ein: Ich bin Mineralwasser, Brot und Physalis kaufen, denn die Kapstachelbeere ist eine wahre Kalziumhaushälterin. Heute haben wir den 31. Spieltag, das heißt, ich muss jetzt schnellstens mit den Einkäufen in meine Hauskneipe gondeln.
Dort angekommen, ist die Konferenz gerade bei Köln gegen St. Pauli (am Ende 2:1) angelangt, ein trotz der Aufregung irgendwie trauriges Spiel: Den Sieg würde ich beiden gönnen, aber verkatert ist man bekanntlich auch immer sehr emotional. „Kölns größtes Manko ist die Chancenverwertung“, sagt der Kommentator, und als ob sie’s gehört hätten und nur brav folgen wollen, verschießen sie gleich noch eine von ganz nah. Die Kneipe stöhnt, aber ich weiß schon, warum der beste Freund die Spiele seit neuestem immer nur noch in einer anderen, ganz weit entfernten Kneipe guckt: viel zu viele Tipper hier! Die sind ja immer für das Ergebnis, das ihrem Tipp entspricht! Geldgeile Meinungslose! Hängen ihr Fähnchen nach dem Wind! Das ist ja fast wie die FDP! Neben mir bekommt ein kleines Kind einen Brownie mit einer Riesenportion Schlagsahne serviert und erklärt erst mal allen Umsitzenden, wieso die Sahne eigentlich so gesund ist: „Da sind nämlich Mineralien drin“. „Kalzium“, denke ich spontan, nicke dem Kind ein – so von Mineraljunkie zu Mineraljunkie – wissendes Lächeln zu und darf danach miterleben, wie „Aaaailton!“ zum zweiten Tor gegen Schalke trifft. Schlenzt, sagt man da wohl. Das Problem an diesem Bremer ist, dass er einen auf sympathische Art und Weise immer an Adriano Celentano erinnert. Und sympathisch sollen mir die Bremer doch heute nicht sein!
JENNI ZYLKA
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