: Wo kein Vakuum, da kein Populist
taz kongress on tour in Hamburg: Was tun, wenn der Rechtspopulist kommt? Die kühle Diagnose der DiskutantInnen: Das Prinzip Schill beruht auf dem Versagen der anderen Parteien. „Rot-Grün war einfach unprofessionell“, hieß es
HAMBURG taz ■ So funktionierte Sicherheitspolitik in Hamburg vor Schill: Im Stadtteil Eimsbüttel mussten die Jogger weiße T-Shirts anziehen, damit sie am Abend im Dunkeln sichtbar bleiben. Dunkel ist es, weil es an Straßenlaternen mangelt. Die rot-grüne Regierung machte sich daran, das Problem zu lösen. Nicht mit neuen Straßenlaternen. Nein. Sie stellte Schilder auf mit der Aufschrift: Vorsicht, Stolpergefahr.
Die Anekdote gab eine Zuhörerin bei der Auftaktveranstaltung zum taz kongress on tour in Hamburg zum Besten. Thema: natürlich Schill. Und also auch die innere Sicherheit. Was die Dame damit ausdrücken wollte: Schill sitzt in der Hamburger Regierung – weil er beim Thema Sicherheit ein Vakuum gefüllt hat, das Rot-Grün mangels Konzepten entstehen ließ.
Auch die DiskutantInnen auf dem Podium waren sich darüber einig, dass die „subjektiv empfundene Sicherheitslage“ den Ausschlag gab für die Wahl Schills. Monika Frommel, Direktorin des Kriminologischen Instituts Kiel, machte darauf aufmerksam, dass Hamburg „typisch urbane Krisen“ aufweise – wie Bremen oder Berlin auch. Doch in anderen Städten hätten es die Politiker geschafft, durch „kosmetische, symbolische Eingriffe“ das Sicherheitsgefühl in der Stadt zu erhöhen. „Rot-Grün ist in Hamburg verantwortlich“, so ihr vernichtendes Urteil, „dass der Rechtspopulismus an die Macht kam.“ Manfred Mahr, innenpolitischer Sprecher der GAL, hielt zwar entgegen, dass es unter Rot-Grün „unzählige Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt“ gegeben habe. Er musste aber gleichzeitig zugeben, die politischen Entscheidungen „nicht transparent“ gemacht zu haben. Frommel: „Rot-Grün war ganz einfach unprofessionell.“
Sven-Michael Veit, taz-hamburg-Redaktionsleiter, erläuterte den „Anpassungsdruck“, den Schill schließlich mit der populistischen Innenpolitik erzeugte: „Die SPD ist so weit nach rechts gedriftet, dass die Menschen im entscheidenden Moment lieber das Original gewählt haben – und nicht das Plagiat.“
Ein Umstand, den Gerald Eibegger von der Demokratischen Offensive in Wien durchaus für verallgemeinerbar hält: als Problem bürgerlicher Parteien generell. Eibegger zog Parallelen zwischen der Situation in Hamburg und jener in Österreich: Haider habe die Sozialdemokratie „vor sich hergetrieben“. Und: „Irgendwann haben sich die Sozialdemokraten nicht mehr unterschieden von den rechtspolitischen Inhalten Haiders.“ Für Eibegger ist Schill „Synonym für ein Demokratiedefizit“. Bezifferbar auf 20 Prozent der Wähler, die eine Person wählten, für die „historisch nicht gewährleistet ist, ein demokratischer Politiker zu sein“. Die Frage lautet für den Österreicher: „Wie installiert man eine politische Kultur, in der innere Sicherheit nicht gleichbedeutend ist mit der bloßen Kriminalitätsrate?“
Ja: Wie? „Die Gesellschaft ist orientierungslos – dann kann man den Parteien doch nicht vorwerfen, dass sie es auch sind“, erklärte GAL-Mann Mahr. Eine Bankrotterklärung. Nach fünfmonatiger Erstarrung wird die Hamburger Opposition immerhin so langsam aktiv: morgen beispielsweise bei einer Großdemonstration gegen Schwarz-Schill. THILO KNOTT
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