WM futsch, alle sauer – Ruhmeshalle soll retten

■ Sehr ernst und enttäuscht registrierte Henning Scherf das Nicht-Vorkommen Bremens als WM–Spielort. Er will Kompensation: Länderspiele und eine „Hall of Fame“

Für 14.30 Uhr hatte Bürgermeis-ter Henning Scherf gestern ins Rathaus geladen, zum Gespräch über das, was da noch gar nicht offiziell war, aber längst schon jeder wusste: Bremens Nicht-Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Der Fernseher lief im oberen Sitzungssaal, Henning Scherf fehlte und Moderator Gerhard Delling präsentierte in der ARD mit den Herren des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) einen Gewinner nach dem nächsten, Kaiserslautern auf Platz zehn, Hannover auf Platz elf, und auf Platz zwölf – Delling: „Einen haben wir noch, ne?“ – Frankfurt am Main. Da war er dann eingetreten, leise, ernst, Henning Scherf, drei Kameras auf ihn gerichtet während der letzten Minuten der Bekanntgabe.

„Ich bin sehr enttäuscht, dass wir im allerletzten Augenblick rausgekickt wurden“, sagte er dann, „ich empfinde das als anstrengend. Sehr anstrengend, was die da mit uns gemacht haben.“ Die, das ist der DFB und seine vielen Funktionäre, die ihren Ex-Präsidenten Egidius Braun nun „extrem diskreditiert“ hätten: „Egidius Braun hat gesagt, Bremen wird Austragungsort. Ich habe mich darauf verlassen“, so Scherf gestern, leise, eindringlich. „So kann der DFB Verhandlungen nicht abschließen“, sagte er dann, wurde ein bisschen lauter und forderte als „Kompensation“ eine Reihe von Länderspielen. „Ich möchte das gerne gegenüber dem DFB-Präsidium einfordern, nachdem wir über Jahre fehlinformiert wurden.“ Und noch etwas will Henning Scherf von den Kicker-Granden als Wiedergutmachung dafür, dass Hannover vor Bremen als zweite Austragungsstadt im Norden vor Hamburg das Rennen gemacht hat: die „Soccer Hall of Fame“ soll in Bremen entstehen. Diese Ruhmeshalle des Deutschen Fußballs, ein Fußballmuseum im ganz großen Stil, ist ein Projekt der Deutschen Fußball-Liga, dem Zusammenschluss der Bundesliga-Vereine. 20 Millionen Euro soll sie kosten, 300.000 BesucherInnen sollen jährlich kommen, pünktlich zur WM 2006 soll sie fertig sein. In welcher Stadt, das wird noch entschieden. In Bremen, findet Henning Scherf und mit ihm andere Fußballfreunde der Stadt. Zwar wollte gestern keiner über Details einer Hall of Fame in Bremen reden, doch so viel ist klar: Wenn, dann wird sie nur in der Nähe des Weserstadions, also in der Pauliner Marsch enstehen.

Während Henning Scherf sich gestern trotz allen Grams sportlich gab – „Das ist wie bei einem verlorenen Spiel: Die einen besaufen sich sinnlos, andere erhöhen ihr Trainingspensum, ich gehöre zu Letzteren“ – waren andere einfach nur wütend: „Das ist für mich die größte Schweinerei. Für mich ist der DFB tot“, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende von SV Werder, Franz Böhmert, der bei der Entscheidung in Frankfurt dabei war und wetterte: „Wir wurden hier als Staffage hingeschickt. Hier hat der Kanzler entschieden.“ Jens Böhrnsen, Fraktionsvorsitzender der SPD, beschuldigte den DFB des Wortbruchs, fand die Entscheidung „zweitklassig und ein Schlag in das Gesicht nicht nur der Fußballfans, sondern aller Bremer Bürger.“

Die Bremer Bundestagsabgeordnete der Grünen, Marie-Luise Beck, „kann nicht verstehen, dass Bremen derart benachteiligt worden ist.“ In Bremen sei immer besserer Fußball gespielt worden als in Hannover. Beck: „Ich hoffe nur, dass es keine unzulässigen Einflussnahmen der Bundesrepublik gegeben hat.“ Derweil forderte die sportpolitische Sprecherin der Grünen, Karin Krusche, den sofortigen Stopp des Stadion-Ausbaus, der nun „absolut überflüssig“ sei.

Keine Rede davon bei Henning Scherf, im Gegenteil: „Hauptbegründung“ für den Weserstadion-Ausbau sei „nicht allein“ die WM-Aussicht gewesen, „nicht für zwei, drei Spiele der WM“, sondern „unsere sehr erfolgreiche Bundesligamannschaft.“ Eine Maßnahme auch für die Region, für die Fans, so Scherf: „Die Treuesten kommen aus Ostfriesland.“ Susanne Gieffers