: Pastakaiser schluckt Brezelkönig
Der weltgrößte Nudelfabrikant Barilla will Europas größte Bäckerkette Kamps schlucken und macht den Aktionären ein Kaufangebot. „Goldbäcker“ Kamps hatte sich mit seinen eigenen Aufkäufen in der Brötchenbranche übernommen
von ANNIKA JOERES
Beim Frühstück wird die Firmenauswahl kleiner: Der italienische Pasta- und Knäckefabrikant Barilla will die Mehrheit an der Düsseldorfer Bäckereikette Kamps übernehmen. Barilla hat den Kamps-Aktionären gestern ein Kaufangebot von 12 Euro je Aktie gemacht. Während Barilla das Angebot, das einen Firmenwert von rund 993 Millionen Euro suggeriert, als „großzügig und fair“ bezeichnete, lehnte die Kamps AG es zunächst als „unter Wert“ ab. Ob es zu einem Übernahmekampf kommt, war bei Redaktionsschluss noch nicht absehbar.
Tatsächlich liegt das Angebot gut elf Prozent über dem Schlusskurs vom Freitag und rund 15 Prozent über dem Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate. Allerdings kletterte die Aktie bis gestern Nachmittag um mehr als 14 Prozent auf 12,33 Euro. Nach den bisher bekannten Plänen soll Kamps ein Geschäftsbereich unter dem Dach von Barilla werden und „seine eigene Firmenidentität“ behalten.
Mit der Übernahme würde die Erfolgsgeschichte von Heiner Kamps enden. Vor fünf Jahren noch besaß er nicht mehr als drei Bäckereien in Düsseldorf und Köln. Dann begann der in den Medien gern als „Goldbäcker“ bezeichnete Kamps eine Einkaufstour, die ihresgleichen sucht. Er kaufte die Berliner Kette Thoben, Klems in Dortmund und zahlreiche einzelne Bäckereien in ganz Deutschland. Kamps wurde zum Hauptverantwortlichen für die zunehmende Konzentration in der Brötchenbranche, die jedes Jahr rund 800 Kleinbäckereien verliert. Als er 1999 die Wendeln-Gruppe übernahm und seitdem mit Produkten wie „Golden Toast“ und „Lieken-Urkorn“ in jedem Supermarkt zu kaufen ist, wurde er größter Bäcker Europas.
Zwei Millionen Brötchen täglich liefert die Kamps AG im westfälischen Lünen an über 1.200 Filialen in ganz Deutschland, rund 18.000 Personen arbeiten für die Firma. Vor drei Jahren ging Kamps an die Börse, der Kurs kletterte innerhalb von 15 Monaten von 6 auf 46 Euro. Darin glich das Unternehmen eher einem Internet-Startup als einer Semmelfabrik. Aus dem Kleinwerteindex SMax stieg es binnen Jahresfrist in den M-Dax auf. Das Männermagazin GQ wählte Heiner Kamps unter die 100 wichtigsten Köpfe Deutschlands. Doch im vergangenen Frühjahr stolperte das Unternehmen über seine Expansionspolitik. 800 Millionen Mark Schulden und ein stark nach unten korrigiertes Betriebsergebnis ließen den Kurs zeitweise auf vier Euro sinken. Immer wieder kam auch Barilla als möglicher Käufer ins Gespräch, Kamps sprach zurückhaltend von einer „möglichen Kooperation“. Zumindest in einem Punkt ähneln die Firmen sich schon jetzt: Auch der Familienkonzern Barilla wurde durch das Aufkaufen kränkelnder Betriebe zum Marktführer. Zuletzt ebnete die Übernahme des weltgrößten Knäckebrotherstellers Wasa aus Schweden den Weg in die Backbranche.
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