: Ellenbogen zum Unterhaken
10.000 Menschen auf Großdemonstration gegen den Sozialabbau von Schwarz-Schill in der Hamburger Innenstadt ■ Von Heike Dierbach
„Der Senat soll“ – „Scheiße!“ Ganz klappt es noch nicht mit der Parole. „Einpacken“ wäre die richtige Antwort gewesen. Aber egal, so passt es auch. Hauptsache, es geht endlich los. Rund 10.000 HamburgerInnen gingen gestern gegen die Politik des neuen Senats auf die Straße. Dabei ist Schwarz-Schill in nur sechs Monaten gelungen, was jahrelang in Hamburg nicht glückte: Die verschiedenen sozialen Bewegungen und Gruppen von „Betroffenen“ vereint zu mobilisieren.
Alle waren sie gekommen: Die MitarbeiterInnen von Kindertagesstätten, Krankenhäusern oder Jugendhilfeeinrichtungen, BauwagenbewohnerInnen, GewerkschafterInnen und autonome Kämpen, MigrantInnen, VerkehrsaktivistInnen, St.-Pauli-Fans und viele, viele Jugendliche. Sogar GAL und Regenbogen schwenkten traulich nebeneinander die Fahnen.
Auch aus den Nachbarländern waren Inis vertreten – wie das Frauenhaus Norderstedt. Und wer hätte gedacht, dass man Ex-Umweltsenator Alexander Porschke (GAL) noch einmal auf einer Demo gegen die Regierungspolitik sieht?
Den Auftakt machte die GEW-Vorsitzende Anna Ammon mit einer Rede zur Bildungspolitik. Sie warf Schulsenator Rudolf Lange (FDP) vor, die „soziale Entmischung“ der SchülerInnen nicht nur billigend in Kauf zu nehmen, im Gegenteil: „Das ist genau so gewollt.
Die DemonstrantInnen – allen voran die Frauen und die Eltern - hatten vor allem Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) auf dem Kieker: Eine Profi-Karikatur zeigte sie, den Bayern-Fahne schwenkenden Innensenator Ronald Schill auf einem Tablett tragend. Später wurde der Ton auch rauher: „Alle wollen dasselbe – Schnieber in die Elbe!“ Vom Gänsemarkt über den ganzen Jungfernstieg bis zur Mönckebergstraße reichte der Zug. „Tuten und Blasen“ sorgte für Stimmung, eine Gang aus etwa zehnjährigen Mädchen skandierte im Takt: „Schill out, Schill out!“ Die autonomen Jugendwerkstätten verteilten „letzte Ausbildungsplätzchen“.
Bei der Abschlusskundgebung auf dem Großneumarkt schlug der Hamburger ver.di-Chef Wolfgang Rose drastische Töne an. Der Senat betreibe eine „Politik des Sozialdarwinismus“. So drohten bespielsweise in der Justizpolitik „Verhältnisse wie in einigen amerikanischen Bundesstaaten, in denen fünf Prozent der Bevölkerung hinter Gittern sitzt“. Dagegen setzte Rose die Vision einer Gesellschaft, „in der die Ellenbogen nicht dazu da sind, Schwächere wegzudrücken – sondern sich gegenseitig unterzuhaken“.
Die Kundgebung dauerte bei Redaktionsschluss noch an.
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