: Sparen und unterhalten
Das Parlament steigt in die Haushaltsberatungen ein. Die Regierungsfraktionen müssen dabei beweisen, dass sie mehr sind als die Abstimmungsmaschine des Senats. Abstimung im Sommer
von STEFAN ALBERTI
In den Abgeordnetenbüros liegt seit ein paar Tagen stapelweise die gleiche Loseblattsammlungen auf den Schreibtischen. Ein paar tausend Seiten mit Zahlen über Zahlen: Der Haushaltsplanentwurf für dieses und nächstes Jahr, jeweils rund 21 Milliarden Euro schwer. Denn was schnell mal untergeht: Was sich der Senat in seiner Haushaltsklausur vor ein paar Wochen als Sparpaket überlegt hat, gilt nur bei Zustimmung des Parlaments. Heute beginnen die Beratungen dazu im Hauptausschuss, am 27. Juni sollen die 141 Abgeordneten abschließend entscheiden.
Doch die klassische Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive – hier gesetzgebendes Parlament, dort ausführende Regierung – ist faktisch längst aufgelöst. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, zugleich SPD-Abgeordneter für Tempelhof, hat schon länger deutlich gemacht, dass er kaum Änderungen erwartet. Das ließen auch seine Öffentlichkeitsarbeiter durchblicken: „Doppelhaushalt vom Senat beschlossen“, überschrieben sie eine Pressemitteilung zum Sparpaket. Erst im Text war von „Entwurf“ die Rede.
Schon bei der Sparklausurberatung lautete Wowereits Argument für die Haltbarkeit der Senatspläne: Die Fraktionsvorsitzenden von SPD und PDS säßen doch mit am Tisch. Weitergedacht hieß das: Wenn die in der Kabinettsrunde nicht aufmucken, fehlt die Rechtfertigung, später noch zu meckern. Im Baurecht läuft so etwas unter „vorgezogene Bürgerbeteiligung“ und soll spätere Klagen von Betroffenen verhindern.
Falls die SPD-PDS-Mehrheitskoalition diese Logik beherzigt, würden die kommenden zweieinhalb Monate im Abgeordnetenhaus zu einem bedeutungslosen Politseminar – in negativer Interpretation des Begriffs „Parlament“: Der geht auf das altfranzösische Wort für „Unterhaltung“ zurück. Dann könnte Wowereit morgen die Debatte auch mit einem abgewandelten Kaiserzitat eröffnen:„Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Sparer.“
PDS-Mann Harald Wolf, einer der beiden Fraktionschefs bei der Haushaltsklausur des Senats, sieht die Bedeutung des Abgeordnetenhauses nicht beschnitten. „Wir werden natürlich den Haushalt wie gewohnt als Parlament beraten.“ Das sei nicht durch eine dreitägige Haushaltsklausur des Senats erledigt. „Auch wenn ich an dieser Klausur teilgenommen habe, bestehe ich auf der Trennung von Legislative und Exekutive.“ Und warum hat er sich dann einbinden lassen? „Ich glaube nicht, dass das der Trennung Abbruch tut.“
Auch bei der SPD sieht man die parlamentarischen Rechte nicht in Gefahr. Die Fraktionsvorsitzenden an den Senatsklausuren zu beteiligen habe in Berlin eine lange Tradition, sagte die Chefin des Hauptausschusses, Hella Dunger-Löper. Der Entwurf soll noch nicht das Endprodukt sein: „Da wird sicherlich noch das eine oder andere geändert werden.“ Ihre Fraktion hatte sich am Wochenende mit dem Haushalt befasst. Es müsse erkennbar sein, dass es sich um einen sozialdemokratisch geführten Senat handelt, äußerte sich Fraktionschef Michael Müller nachher.
Als Kritikpunkt gilt bei den Sozialdemokraten unter anderem das Management der öffentlichen Liegenschaften. Widerstand gibt es dem Vernehmen nach auch gegen extreme Kürzungen bei Jugendprojekten. PDS-Fraktionschef Wolf vermisst stärkere Ansätze für eine Modernisierung der Verwaltung. Hier will die PDS stärkere Akzente setzen. Ihr Landeschef Stefan Liebich hatte in einem Positionspapier gefordert, die PDS müsse zur treibenden Kraft in der Koalition werden.
Die Opposition aus CDU, FDP und Grüne kündigt für die Haushaltsberatungen im Parlament teils gleiche Schwerpunkte an. Alle drei wenden sich gegen die vom Senat beabsichtigten Kürzungen bei den Privatschulen. Grünen-Finanzexperte Jochen Esser will die Koalition vorrangig in den Feldern Bildung und Kultur kritisieren: „Da kann von der versprochenen Prioritätensetzung keine Rede sein.“
Der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Nicolas Zimmer, will vor den Detailberatungen über Strukturpolitik diskutieren. Dabei geht es ihm um unwirtschaftliche landeseigene Betriebe, bessere Computerausstattung der Justiz und Auslagerung von Bereichen an freie Träger. Wegfallen sollten nach Zimmers Vorstellungen die als überflüssig empfundene Oberfinanzdirektion und das Landesforstamt. Ab heute will die Union ein eigenes Finanzierungskonzept vorlegen – „15 Seiten, eng beschrieben“ , sagt Zimmer. Man wolle sich nicht dem Vorwurf aussetzen, keine eigenen Vorschläge zu machen.
FDP-Haushaltsmann Christoph Meyer fordert vom Senat, sich von mehr Eigentum zu trennen. Über 600 Millionen Euro will Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) aus derartigen Verkäufen jährlich ziehen. Grünen-Finanzexperte Esser kann sich hingegen nicht vorstellen, wie der Senat diese Summe erreichen will. Das sieht Meyer bei den jetzigen Planungen ebenso: „Mit ein paar Liegenschaften kommt das Geld nicht rein. Da muss man schon an die großen Brocken ran, wie die Feuersozietät oder die BVG.“
Was von den Änderungswünschen übrig bleibt, wird am 27. Juni feststehen – wie die Antwort auf die Frage, ob das Parlament sich mehr als unterhalten hat.
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