Großer Kehraus in Köln

In der Kölner Spendenaffäre werden 13 Parteischiedsverfahren eingeleitet, weitere Fälle sind offen. Mehrere Beschuldigte betonen allerdings, die Quittung nicht bemerkt oder gleich vernichtet zu haben

aus Köln PASCAL BEUCKER
und FRANK ÜBERALL

Unbeirrt war Renate Canisius zum monatlichen Kölner Medienempfang ins Hilton gekommen. Normalität wollte die Bürgermeisterin demonstrieren. Und dass sie sich nicht versteckt. Trotz der Vorwürfe. Doch als ein Kollege an sie herantritt und leise mit ihr spricht, schießen ihr plötzlich Tränen in die Augen. SPD-Landesschef Harald Schartau war gerade vor die Presse getreten und hatte verkündet, dass 13 Parteischiedsverfahren eingeleitet würden. Vier Betroffene nannte Schartau beim Namen – eine davon: Renate Canisius.

Ein Schiedsverfahren gegen sie? Bis zum Schluss hatte es die 67-jährige Sozialdemokratin nicht wahrhaben wollen. Nun versucht die altgediente Ratsfrau mühsam, ihre Fassung wiederzufinden. Nie hatte sie irgendeine der ihr von der SPD ausgestellten Spendenquittungen für nicht rechtmäßig gehalten. Dass sich eine fingierte Quittung darunter befand, wollte sie zunächst auch gar nicht glauben. „Aber nach langem Suchen habe ich sie gefunden.“ Trotzdem: „Ich habe absolut kein schlechtes Gewissen, ich glaube kaum, dass man mir etwas Bösartiges anhängen kann.“

Unterstützung bekommt sie dabei vom Kölner Parteichef Jochen Ott. Einige Mitglieder seien unwissentlich in die Affäre reingerutscht, sagte er der taz. Ott: „Da kann man doch nicht mit scharfem Schwert aufräumen, sondern man muss sorgfältig prüfen, wer welche Schuld hat.“ Das wird nun die Parteischiedskommission übernehmen. Falls sie nach Anhörung der Betroffenen ein Fehlverhalten feststellt, sind als Sanktionen eine Rüge, die zeitweilige Aberkennung des Rechts zur Bekleidung von Funktionen, zeitweiliges Ruhen aller Mitgliedschaftsrechte oder der Ausschluss aus der Partei vorgesehen.

Insgesamt müssen sich jetzt 16 Genossen vor dem Schiedsgericht verantworten. Nachdem bereits vor einigen Wochen Verfahren gegen die Landtagsabgeordneten Jan Marc Eumann und Annelie Kever-Henseler und den Bundestagskandidaten Werner Jung eingeleitet wurden, sind am Montag nun noch der Kölner Ehrenbürger Norbert Burger, die SPD-Ratsmitglieder Heinz Lüttgen, Christa Becker und Karl-Heinz Schmalzgrüber, der frühere Stadtkämmerer Jörg Michael Gleitze, Exparteichef Kurt Uhlenbruch und sein Vorgänger, der Ex-MdB Erich Henke, der Exratsherr und Richter Michael Allmer sowie Bettina Lob-Preis, Margit Leggies-Decker und Anni Schulz hinzugekommen. Auch mit dabei: der Direktor des Landesverbandes der Volkshochschulen von Nordrhein-Westfalen, Reiner Hammelrath. Wie tief sie jeweils in die Spendenaffäre verstrickt sind, ist allerdings bislang unklar. Michael Allmer und Bettina Lob-Preis zogen jedenfalls noch gestern Konsequenzen: Sie traten aus der SPD aus.

Sieben weitere Fälle seien noch in Arbeit, sagte Schartau am Montag. Bis zum 4. Mai wolle die Partei über sie befinden. Außerdem hätten neun Personen trotz schriftlicher Aufforderung zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen keine Stellung genommen. Äußernd sie sich bis zum heutigen Mittwoch nicht, wird auch gegen sie ein Parteiordnungsverfahren eingeleitet. Unter ihnen soll auch der Bundestagsabgeordnete Konrad Gilges sein.

In fünf der bislang 19 bearbeiteten Fälle haben die Untersuchungen laut Schartau ergeben, dass keine Maßnahmen ergriffen werden müssten. Ein Kriterium war dabei offensichtlich, ob die Betroffenen ihre fingierten Belege beim Finanzamt einreichten. So hatte einer der „Freigesprochenen“ vor der Untersuchungskommission ausgesagt, er habe in dem betreffenden Jahr zweimal mehrere tausend Mark an die SPD gespendet und die fingierte Spendenquittung dann als ungebührliche Aufforderung zu einer weiteren Spende verstanden. Diese habe er mit einem Kraftausdruck zurückgewiesen und die Quittung weggeschmissen. Ähnlich verhält es sich im Fall der Kölner Sozialdezernentin Ursula Christiansen. Auch sie hat nach eigener Aussage die ihr von Biciste in einem Briefumschlag überreichte Quittung sofort weggeworfen. „Ich hatte nichts gespendet, also brauchte ich auch keine Quittung“, so Christiansen. Das Problem: Auch wenn sie die Quittungen wegwarfen, so verbuchte Biciste die beiden doch als vermeintliche Spender – und machte sie damit zum Bestandteil seines Schwarzgeldwaschsystems. Damit unterscheiden sie sich jedoch qualitativ nicht von anderen Fällen, in denen die Verdächtigen ausgesagt hatten, ihnen sei eine Quittung untergeschoben worden, gegen die jedoch trotzdem nun Schiedsverfahren eingeleitet wurden.