: Regierung in Minsk köpft OSZE-Mission
Der kommissarische Chef der OSZE-Mission in Weißrussland hat das Land verlassen. Sein Visum wurde nicht verlängert
BERLIN taz ■ Sein Ziel, die Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ganz aus dem Land zu graulen, dürfte Weißrusslands Staatspräsident Alexander Lukaschenko bald erreicht haben. Am vergangenen Montag reiste der kommissarische Chef der Minsker OSZE-Mission, Michel Rivollier, nach Wien zurück. Der Grund: Die weißrussischen Behörden hatten Rivollier, ohne Angabe von Gründen, weder sein Visum noch seine diplomatische Akkreditierung verlängert.
Der jüngste Affront setzt nahtlos eine Serie von Verbalattacken und Bedrohungen von Seiten des Regimes fort, die die Arbeit der OSZE in Weißrussland seit Jahren begleiten. 1998 nahm die Mission, mit Zustimmung der Regierung in Minsk, ihre Tätigkeit in Weißrussland auf. Vorrangiges Ziel war es, unter Wahrung der Menschenrechte den Aufbau demokratischer Institutionen zu unterstützen und gesetzmäßig abzusichern, flankiert von dem Versuch, zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln.
Ende 1999 formulierte die OSZE vier Bedingungen als Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit: eine Überarbeitung der Wahlgesetzgebung, die Ausweitung der Parlamentsvollmachten, den gleichberechtigten Zugang von Oppositionsvertretern zu den staatlichen Medien sowie die Schaffung eines Vertrauensklimas. Doch die Realität sah anders aus. So erhielten weder die Parlamentswahlen vom Herbst 2000 noch die Präsidentenwahlen im Jahr darauf das Gütesiegel „frei und fair“.
Stattdessen wurde der Chef der OSZE-Mission, Hans-Georg Wieck, zum bevorzugten Ziel der paranoiden Ausfälle des Staatspräsidenten. Mehrfach drohte Lukaschenko dem Deutschen mit Ausweisung und beschuldigte ihn, mit Schulungen unabhängiger, einheimischer Wahlbeobachter in Wahrheit bewaffnete Kämpfer auszubilden, um das System zu unterminieren.
Seit dem freiwilligen Abgang Wiecks hat die OSZE-Mission, die wegen der Minsker Blockade mit einem provisorischen Haushalt arbeiten muss, einen kommissarischen Leiter. Wiecks designiertem Nachfolger, dem ehemaligen deutschen Botschafter in der Ukraine, Eberhard Heyken, wird bislang die Einreise verweigert.
Wieck überrascht der Rausschmiss von Rivollier, des vorläufig letzten Opfers von Lukaschenkos Salamitaktik, daher kaum. „Das ist eine klare Fortsetzung der Boykottpolitik des Regimes gegenüber der OSZE. Das Land will sich aus der Beobachtung herauswinden“, sagt er. Auch die SPD-Abgeordnete und Vorsitzende der parlamentarischen Arbeitsgruppe der OSZE für Weißrussland, Uta Zapf, wertet die jüngste Entwicklung klar als „weiteren Schritt, um die Mission abzuservieren“. Eine Entspannung in den Beziehungen sei in weite Ferne gerückt.
Die OSZE beschloss am Dienstag in Wien, in Gesprächen mit der weißrussischen Führung über künftige Formen der Zusammenarbeit zu beraten. In einem Statement vom gleichen Tag forderte die Europäische Union (EU) Minsk auf, sein Verhalten zu überdenken und den neuen Chef der OSZE-Mission zu akzeptieren. Weiter heißt es: „Die Beziehungen der EU zu Weißrussland können nicht von der Rolle der OSZE getrennt werden.“ BARBARA OERTEL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen