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„Schlupfloch gibt es immer“

Der SPD-Rechtspolitiker Alfred Hartenbach hält am Antidiskriminierungsgesetz fest. Neues Recht soll nun von den rot-grünen Fraktionen in den Bundestag eingebracht werden – in abgeschwächter Form

Interview CHRISTIAN RATH

taz: Herr Hartenbach, stimmt die Meldung, dass Rot-Grün vor den Wahlen kein Antidiskriminierungsgesetz (ADG) mehr verabschieden will?

Alfred Hartenbach: Nein, das ist falsch. Wegen Unstimmigkeiten im Kabinett, die ich nicht weiter kommentiere, wird es zwar keinen Regierungsentwurf für ein ADG geben. Die Fraktionen von SPD und Grünen werden jedoch selbstständig einen Gesetzentwurf einbringen.

Werden Sie den 2001 vorgestellten ADG-Entwurf des Justizministeriums übernehmen?

Es wird zumindest zwei Änderungen geben. So soll das Gesetz nicht mehr vor Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung sowie des Alters schützen.

Sind nicht abweichende Weltanschauungen besonders von Diskriminierung bedroht?

Vor Diskriminierung durch den Staat sind sie auch weiterhin geschützt. Das garantiert schon das Grundgesetz. Hier geht es aber um Rechtsgeschäfte zwischen Privatpersonen. Wir können doch einen Gastwirt nicht dazu zwingen, der NPD oder einer rechten Kameradschaft sein Hinterzimmer zu vermieten. Wenn jemand mit Rechtsradikalen nichts zu tun haben will, muss das der Staat akzeptieren.

Und was ist mit der Diskriminierung nach dem Alter?

Hier haben wir Angst, dass es Vorzugsangebote für Senioren gefährdet, wenn der private Geschäftsverkehr nicht mehr nach dem Alter unterscheiden dürfte.

Damit nehmen Sie alte Menschen aber auch aus dem Schutzbereich des Gesetzes …

Das ist die Kehrseite.

Die Kirchen protestieren, dass auch Differenzierung nach Religion verboten sein soll.

Darüber verhandeln wir noch mit den Grünen. Ich würde auch die Religion streichen. Denn es ist nachvollziehbar, dass die Kirchen nicht gezwungen werden wollen, in ein konfessionelles Altersheim auch einen bekennenden Atheisten aufzunehmen.

Wenn Sie Religion streichen, könnte ein Hausbesitzer weiter inserieren: „Suche christliche Mieter“. Wollen Sie Muslime und Juden auf dem Wohnungsmarkt nicht schützen?

Hier würde ja in den überwiegenden Fällen das Merkmal der „Herkunft“ greifen.

Der Vermieter könnte aber sagen, er habe nichts gegen Türken, lehne aber Muslime ab …

Stimmt. Aber wer ein Schlupfloch für Diskriminierungen sucht, wird immer eines finden.

Vermieter, die keine Kinder im Haus haben wollen, müssen nicht lange nach Schlupflöchern suchen. Familien sollen in Ihrem Gesetz keinen besonderen Schutz erhalten. Warum?

Natürlich dürfen Familien mit Kindern auf dem Wohnungsmarkt nicht diskriminiert werden. Und wenn das noch nicht drinsteht, dann werden wir das eben noch reinschreiben.

Zu Verunsicherung führt das Gesetz vor allem, weil es auch eine Umkehrung der Beweislast vorsieht. Ist das notwendig?

Ja. Die Beweislast wird nur umgekehrt, wenn Tatsachen auf Diskrminierung deuten. Nehmen Sie den Fall, dass Schwarze vor der angeblich vollen Disko abgewiesen werden und zugleich Weiße Einlass erhalten. Dann muss der Betreiber beweisen, dass er nicht diskriminiert.

Was passiert, wenn ich vermiete und es gibt einen deutschen sowie einen türkischen Bewerber? Wie soll ich beweisen, dass ich nicht diskriminieren wollte, nur weil mir der Deutsche sympathischer war?

Wenn man in der gleichen Wohnung oder im gleichen Haus zusammenleben muss, ist auch Sympathie ein „sachlicher Grund“. Bei einer großen Wohnungsbaugesellschaft könnte man es dagegen nicht akzeptieren, wenn sie Türken generell unsympathisch findet.

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