Wer zupackt, punktet

Mediale Höhepunkte des Wahlkampfes waren „Attentate“ auf die Kandidaten. Wer energisch reagierte, konnte Prozente verbuchen

PARIS taz ■ Ketchup, Spucke und eine schallende Ohrfeige – das waren die Höhepunkte im bisherigen Präsidentschaftswahlkampf. Jene Kandidaten, die es „geschafft“ haben, in den Mittelpunkt einer Rempelei zu geraten, sind fein heraus, sei es als Opfer, sei es als mannhafte Verteidiger der „republikanischen Moral“.

Die Opfer heißen Jacques Chirac, Lionel Jospin und François Bayrou. Ersterer wurde in der Pariser Vorstadt Mantes-la-Jolie, die sonst nur mit Kopftuchaffären und Straßenbanden in die Medien kommt, von einem Jugendlichen auf der Straße angespuckt. „Sie gehören in das Gefängnis La Santé“, soll der Spucker gesagt haben, „nicht in den Elysée-Palast.“ Kein Journalist war dabei. Dennoch blieb die Affäre wochenlang in aller Munde. Der Angespuckte reagierte gelassen. So sei es halt bei einer Kampagne auf dem Terrain, sagte Chirac. Wahlkampf im bourgeoisen 16. Pariser Arrondissement sei für ihn uninteressant.

Einige Wochen später traf ein klebriger roter Strahl aus einer Ketchuptube Premierminister Jospin auf die rechte Wange. Es geschah auf einer Veranstaltung der Sozialistischen Partei in der bretonischen Stadt Rennes, und Jospin entgegnete den jugendlichen Tätern mit kreidebleichem Gesicht: „Ihr gehört geohrfeigt.“ Dann hielt jemand aus dem Wahlkampfteam die Hand vor das Objektiv und beendete die Filmaufnahmen.

Tatkräftig und ausgesprochen telegen reagierten zwei andere Männer, die oberste Franzosen werden wollen. Der grüne Präsidentschaftskandidat Noël Mamère radelte am vergangenen Sonntag durch Paris, als ihn an einer Straßenkreuzung ein paar Jugendliche wegen seiner propalästinensischen Stellungnahmen beschimpften. Rein zufällig war sofort ein TV-Team zur Stelle und filmte den Kandidaten, wie er einem der jungen Männer energisch ans Hemd ging und ihn durchrüttelte. Im Fernsehen, das die Szene vielfach ausstrahlte, hieß es, die Jugendlichen seien von der zionistischen Organisation „Betard“. Dass die Schläger dieser Truppe gewöhnlich nicht reden, bevor sie zum Knüppel greifen, verrieten die Journalisten nicht.

Der eigentliche Held des Wahlkampfes aber ist der Christdemokrat François Bayrou. Er hat in Straßburg vor laufenden Kameras einen 11-jährigen Jungen mit dem nordafrikanischen Vornamen Yacine geohrfeigt, der „Juden raus“ gerufen hatte. Bayrou, der zuvor verloren durch die Provinz getingelt war, gelangte damit auf die Titelseiten der französischen Zeitungen. In den Meinungsumfragen verdoppelten sich seine Wahlaussichten auf mehr als drei Prozent.

DOROTHEA HAHN