: CDU will gegen Gesetz klagen
Senat soll nicht vorzeitig Kredite aufnehmen können. Sarrazin bestätigt: Haushalt nicht verfassungsgemäß. Grüne: Vorpreschen der Union erstaunlich spät
Die Haushaltsplanungen des Senats steht vor einer Verfassungsklage der CDU-Fraktion. Der Entwurf sei verfassungswidrig, weil mehr Kredite als Investitionen vorgesehen sind, sagt ihr haushaltspolitischer Sprecher Nicolas Zimmer – was weder Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) noch die anderen Fraktionen bestreiten. Der Senat sieht jedoch zum Verfassungsbruch keine Alternative und beruft sich auf eine Ausnahmeregelung.
Die Union richtet sich konkret gegen einen Parlamentsbeschluss vom Donnerstag, der mit einem so genannten Vorschaltgesetz die im Haushalt vorgesehen Milliardenkredite schon jetzt freigibt – der eigentliche Haushaltsbeschluss ist erst für Ende Juni vorgesehen. Damit die Klage am Gericht zulässig ist, braucht die Union allerdings die Hilfe von einer der anderen Oppositionsparteien. FDP und Grüne wollen darüber nächste Woche entscheiden.
Der Senat und die Regierungsfraktionen kritisierten das Vorgehen der CDU. Senatsprecher Michael Donnermeyer forderte von der Union Klartext, ob sie sich an einer Sanierung des Haushalts beteiligen will. Eine Verfassungsklage passt für ihn nicht dazu. Von der PDS war zu hören, es sei pikant, dass ausgerechnet die CDU als Verursacher der Kreditlasten vors Verfassungsgericht gehe. Ihr Wirtschaftssenator Gregor Gysi sah keine Alternative zu Sarrazins Entwurf: „Das Land steckt in einer so tiefen finanziellen Krise, dass es in einem engeren Sinne keinen verfassungsmäßigen Haushalt aufstellen kann.“
Auch die Grünen mochten die Union nicht in der Rolle als aufklärerische Opposition akzeptieren. Die CDU habe mit der SPD in den vergangenen Jahren einen verfassungwidrigen Haushalt nach dem anderen beschlossen, sagte ihr Haushaltsexperte Oliver Schruoffeneger – „ohne mit der Wimper zu zucken“. Das forsche Vorpreschen der Union komme daher erstaunlich spät.
CDU-Mann Zimmer, erst seit dieser Legislaturperiode Chef-Haushälter seiner Fraktion und seit 1998 im Abgeordnetenhaus, gab offen zu, dass frühere, von der CDU verantwortete Haushalte formell zwar in Ordnung, inhaltlich aber ebenfalls verfassungswidrig waren. PDS-Senator Gysi sieht ein Missverhältnis zu früheren Jahren: Die PDS habe als Opposition „so viel Charakter besessen, dass sie, wenn sie keine Alternative präsentieren konnte, nicht geklagt hat“.
Hat die Union mit ihrer Klage Erfolg, wird das am Donnerstag mit den Stimmen von SPD und PDS beschlossene Vorschaltgesetz unwirksam. Der Senat könnte folglich die vorgesehenen Milliardenkredite nicht aufnehmen. Die Finanzverwaltung hatte auf das Gesetz gedrängt, damit das Land bis zum endgültigen Haushaltsbeschluss am 27. Juni zahlungsfähig bleibt. Ansonsten könnten Liquiditätsprobleme nicht völlig ausgeschlossen werden, hieß es zur Begründung. SPD-Chef Peter Strieder bezweifelte zwar die Erfolgsaussichten für die CDU-Klage. Für den Fall aber, dass das Gericht dem Antrag folge, „könnte sich die Stadt für den brutalstmöglichen Sparkurs bei der CDU bedanken“.
Derzeit arbeitet der Senat ohne gültigen Haushaltsplan – eine Folge des Regierungswechsels und des Wartens auf die Wahl im vergangenen Oktober. Normalerweise hätte der Haushaltsplan für dieses Jahr vor Ablauf des vergangenen Jahres beschlossen sein müssen.
STEFAN ALBERTI
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