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Schwerer Verdacht gegen Wiesn-Polizist

Oktoberfest-Polizist soll 16-Jährige vergewaltigt haben. Die junge Frau hatte sich Hilfe suchend an ihn gewandt, weil sie zur Prostitution gezwungen werde. Gewerkschaft der Polizei: Untersuchungshaft für den Beamten nicht angebracht

„Einen vergleichbaren Fall habe ich noch nicht erlebt.“

MÜNCHEN taz ■ Auf dem Münchner Oktoberfest haben Polizisten schon öfter Besucher misshandelt, einmal sogar fast getötet. Erst vor drei Wochen verurteilten zwei Gerichte vier Ordnungshüter wegen Körperverletzung im Amt. Ein Polizist hatte auf der „Wiesn“-Wache einem am Boden liegenden Mann so lange mit dem Schuh gegen den Hals getreten, bis er das Bewusstsein verlor. Nun nehmen die Übergriffe möglicherweise eine neue Dimension an.

Erstmals wird einem Oktoberfest-Polizisten eine Vergewaltigung vorgeworfen. Auf Beschluss einer Amtsrichterin sitzt der 33-jährige Beamte einer Münchner Einsatzhundertschaft in Untersuchungshaft. „Einen vergleichbaren Fall habe ich in meiner Zeit als Leiter der Staatsanwaltschaft noch nicht erlebt“, sagt Manfred Wick, der seit 1994 die Anklagebehörde führt.

Der verheiratete Beschuldigte hat bisher nur zugegeben, dass er im vergangenen Jahr eine 16-jährige Frau vor einem „Wiesn“-Zelt um 22 Uhr angesprochen hat und sie über Nacht mit in seine Dienstwohnung auf dem Areal einer Polizeiinspektion nahm. Die der Drogenszene angehörende Frau erzählte dem Polizisten ihrer Aussage zufolge, dass sie zwei Iraker zur Prostitution zwängen und sie Hilfe suche. Sie sei dem Drängen des 33-Jährigen auf ein Treffen nachgekommen, weil sie nicht gewusst hätte, wo sie die Nacht verbringen sollte. Trotz seines Versprechens, sie nicht anzufassen, habe der Polizist sie vergewaltigt, erklärte die Frau. In seiner Dienstwohnung habe sie zuvor selbst mitgebrachtes Kokain konsumiert. Das zeigte der Beamte ebenso wenig an wie die Zuhälterei. Deswegen lautet der Haftbefehl auch auf Strafvereitelung im Amt. Am nächsten Morgen soll er sie in der Innenstadt abgesetzt haben.

Obwohl die Polizei und die Staatsanwaltschaft seit Dezember gegen zwei Iraker und einen Türken wegen des Verdachts des schweren Menschenhandels und der Zuhälterei der 16-Jährigen ermittelt, kam der Vergewaltigungsfall erst in diesem Monat in Wiesbaden ins Rollen. Dort vernahm die Polizei die in einer Einrichtung des Jugendamtes untergebrachte Frau.

Um den schwer beschuldigten Beamten kümmert sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bereits. Der GdP-Chef in der bayerischen Landeshauptstadt, Werner Leberfinger, protestiert scharf gegen die Justiz: „Es ist völlig überzogen, dass eine Staatsanwältin einen Haftbefehl beantragt und eine Amtsrichterin ihn übernimmt. Da steht Aussage gegen Aussage.“ Leberfinger verlangt die Freilassung des 33-Jährigen. Aufgebracht hat den Gewerkschafter, dass die Untersuchungshaft damit begründet werde, dass der Beamte vom Dienst suspendiert wurde. Im Haftbefehl heißt es, es bestehe Fluchtgefahr, weil der Beamte wegen der sofortigen Dienstenthebung durch die Polizei seine soziale Bindung verliere und Kontakt ins Ausland habe.

„Gegen die Suspendierung kann man gar nichts sagen“, stellt Leberfinger immerhin klar. Denn die Vorwürfe müssten geklärt werden. „Ich mische mich da nicht ein.“ Das gelte auch für die Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers. Staatsanwaltschaftschef Wick betont, dass die 16-Jährige Nächte später mit dem 33-Jährigen freiwillig geschlafen habe, „beseitigt den Vergewaltigungsvorwurf nicht“.

Der mutmaßliche Täter habe seinen Haftprüfungsantrag, den ihm die GdP empfiehlt, zurückgezogen. Die Kritik der Gewerkschaft weist Wick als „unqualifiziert“ zurück: „Es liegt uns fern, eine Sonderbehandlung für Polizeibeamte einzuführen.“ Der mutmaßliche Täter habe einen Haftprüfungsantrag zurückgezogen. OLIVER HINZ

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