: Nicht arm genug
Nigeria verabschiedet sich frustriert vom IWF. Er habe das Land „hängen lassen“ und Versprechen nicht eingelöst
LAGOS taz ■ Nigeria hat seine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) beendet. „Die westlichen Geberländer haben uns und unsere Demokratie hängen lassen“, sagte der nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo. Er bezog sich auf die Zusagen aus dem Ausland, die er vor seinem Amtsantritt entgegengenommen hatte: Einen finanziellen Neuanfang mit teilweisem Schuldenerlass habe man seinem Land versprochen –aber nichts sei passiert.
In der Tat: Nigeria ist nicht arm genug, um unter die ärmsten Länder zu fallen, die im Rahmen der G 7-Initiative HIPC entschuldet werden. Dennoch erhält das Land nur dann Kredite vom Internationalen Währungsfonds (IWF), wenn es zwei Bedingungen erfüllt: Eine auf Sparen ausgerichtete Wirtschaftspolitik und ein Programm zur Bekämpfung der Armut. Das jedoch fällt schwer ohne die finanzielle Erleichterung aus einem Schuldenerlass. Ohnehin seien dies nur „Ausreden“, glaubt Schuldenexperte Pedro Morazán vom Entwicklungsverband Südwind: „In Wirklichkeit hat Nigeria so viele Schulden, dass das den Gläubigern einfach zu teuer würde.“
Nach drei Jahren Demokratie mit zahlreichen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Krisen kippt in Nigeria die Stimmung gegenüber den westlichen Partnerländern und Geberorganisationen. Das Ende der Zusammenarbeit mit dem IWF wird Konsequenzen haben – doch die nimmt die nigerianische Regierung offenbar in Kauf. So werden Gespräche mit privaten Geberinstitutionen wie dem Paris- und dem London-Club verschoben, da diese zunächst den IWF mit den jeweiligen Ländern arbeiten lassen. Im Falle Nigerias verzögert sich die Neuverhandlung der Zahlungsbedingungen über 28 Milliarden US-Dollar.
Der nigerianische Finanzminister Adamu Ciroma sagte vor dem Ausstieg aus dem IWF-Programm: „Der IWF hat ein Zinssystem mit Strafgebühren entwickelt, das es Ländern der Dritten Welt unmöglich macht, aus ihren Schulden herauszukommen. Wir machen da nicht mehr mit“. Einen IWF-Kredit von einer Milliarde Dollar, der seit vergangenem Jahr zum Abruf bereitsteht, hat die nigerianische Regierung bislang nicht angerührt. Begründung: Man wolle nicht noch mehr mit dem IWF zu tun haben.
Die Wut auf den IWF geht Hand in Hand mit einer neuen Handels- und Zollpolitik. Unter dem Applaus der Senatoren gab die Regierung ihre neue protektionistische Politik bekannt. Die Zölle für Importwaren würden massiv erhöht, kündigte die Regierung an. Betroffen sind Produkte wie Textilien, Früchte, Schokolade, Zigaretten, Wasser, Spirituosen oder Parfums. Damit soll die lokale Industrie geschützt werden. Arbeitslosigkeit wegen des miserablen Zustands der Wirtschaft sei zu einer Bedrohung für die Demokratie geworden, sagte der Sprecher des Repräsentantenhauses. Die Arbeitslosenrate wird von Banken auf rund 30 Prozent geschätzt, das Auswärtige Amt geht sogar von 50 Prozent aus.
Mit dem Lösen der Fesseln des IWF habe man nun mehr Spielraum, um Politik zu machen und wirklich den Menschen zu helfen, sagte der Finanzminister. Das soll wohl heißen: vor dem anstehenden Wahlkampf im nächsten Jahr ordentlich Geld auszugeben, ohne dass der IWF an der fehlenden Haushaltsdisziplin mäkelt. Doch zu sehr spüren die Menschen den Niedergang des Landes, als dass sie gegenüber diesen Worten skeptisch wären. Das Pro-Kopf-Einkommen sank nach Schätzungen westlicher Banken zwischen 1997 und 2001 von 340 Dollar auf 310 Dollar, andere Quellen sprechen sogar von unter 300 Dollar. Keiner scheint einen Gedanken an die Argumente von Weltbank, IWF und anderen zu verschwenden. HAKEEM JIMO
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