: Paragraf gegen globalen Terror
Gesetzverschärfung kommt: Künftig soll die Mitgliedschaft in ausländischen Terrorgruppen auch dann in Deutschland bestraft werden können, wenn die Organisation gar nicht hier agiert. SPD setzt § 129 b durch. Grüne sind stolz auf Einschränkungen
von CHRISTIAN RATH
Jetzt haben sich SPD und Grüne doch noch geeinigt. Mitglieder und Unterstützer von ausländischen Terrorgruppen sollen künftig auch in Deutschland strafbar sein – selbst wenn die Organisation hier gar nicht aktiv ist. Wie am Wochenende bekannt wurde, verständigten sich die Regierungsparteien darauf in zwei Gesprächen am Dienstag und Freitag vergangener Woche.
Die bloße Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ist in Deutschland bereits seit 1976 strafbar, ebenso Werbung für und Unterstützung einer solchen Gruppe. Geregelt ist dies in Paragraf 129 a des Strafgesetzbuches. Als Bedingung galt bislang aber, dass die Terrorgruppe über eine in Deutschland aktive Teilorganisation verfügte.
Schon seit zwei Jahren ist aber klar, dass sich die Bundesrepublik aus den weltweiten Händeln nicht mehr heraushalten kann. Die EU forderte, dass Terrorgruppen im europäischen Ausland den deutschen gleichzustellen seien. Und nach den Anschlägen vom 11. September legte Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) einen Entwurf vor, der die Anwendung von Paragraf 129 a sogar auf Gruppen auf der ganzen Welt erstreckt. Gegen diesen neuen Paragrafen 129 b stellten sich die Grünen jedoch erst mal quer. Sie fürchteten, dass auch Befreiungsbewegungen, die gegen Unrechtsregimes kämpfen, von der neuen Strafvorschrift erfasst werden.
Erst nach monatelangen Diskussionen einigten sich SPD und Grüne jetzt auf drei Einschränkungen von Däubler-Gmelins Entwurf. So wird eine Strafverfolgung gegen ausländische Terrorgruppen nur mit ausdrücklicher „Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz“ möglich sein. Und dabei werden Däubler-Gmelin und ihre Nachfolger auch keine völlig freie Hand haben. Vielmehr wird es nach dem neuen Paragrafen darauf ankommen, ob der Staat, gegen den sich vermeintlicher Terror richtet, selbst die Menschenrechte und das friedliche Zusammenleben der Völker achtet.
Als dritte Einschränkung haben die Grünen dem Justizministerium auch noch einen gewissen Inlandsbezug abgetrotzt. Entweder müssen die Täter oder die potenziellen Opfer in Deutschland leben oder es muss eine Tat in Deutschland geplant sein. Für Ermittlungen genügt es also nicht, wenn nur vermeintliche Kontaktpersonen von Terroristen hier leben.
Beschleunigt wurde die Einigung vor allem durch den Anschlag auf die Synagoge im tunesischen Djerba, bei dem auch elf deutsche Urlauber starben. In zwei Sitzungen einigten sich jetzt die Fraktionsspitzen und Rechtsexperten von SPD und Grünen. Angesichts der unklaren Tatbeteiligung von deutschen Islamisten sollen durch die neue Strafvorschrift nun zumindest die Ermittlungen in diesem Umfeld erleichtert werden.
Dass sich die Grünen in den Verhandlungen achtbar schlugen, zeigt ein weiteres Zugeständnis der SPD. Während Paragraf 129 a bisher das „Werben“ für eine terroristische Vereinigung generell unter Strafe stellte, wird dieses künftig differenziert. Nur noch das „Werben um Unterstützung und Mitgliedschaft“, so Volker Beck (Grüne), soll als Terrorismus bestraft werden. Bloße Sympathiewerbung reicht nicht.
„Damit haben wir das Gesinnungsstrafrecht zurückgedrängt“, freut sich Beck. Was aber gilt, wenn „Unterstützt al-Qaida“ an eine Hauswand gesprüht wird? „Das muss die Rechtsprechung klären“, räumt Beck ein. Die nahe liegende Lösung, nur das „Anwerben“ neuer Mitglieder als Terrorismus zu bestrafen, konnte gegen die SPD nicht durchgesetzt werden.
Die neuen Vorschläge sollen noch in dieser Woche in den Bundestag eingebracht werden.
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