: Besessen von Billie
■ Die irische Blues- und Jazzsängerin Mary Coughlan gibt zwei Konzerte in und bei Bremen
taz : Mrs. Coughlan, Sie sind vor kurzem in Dublin mit einer ganzen Bühnenshow mit Songs über das Leben von Billie Holliday aufgetreten. Woher kommt diese außerordentlich fruchtbare Faszination einer irischen Sängerin für diese Ikone des schwarzen Jazzgesangs?
Mary Coughlan: Auf allen meinen bisherigen Platten war mindestens ein Song von Billie Holliday. Ich bin besessen von ihr, und als ich mal in London einen Prospekt für das Konzert einer anderen Sängerin in die Hände bekam, die „The Songs of Billie Holliday“ präsentierte, habe ich sofort gesagt, das kann ich auch.
Wir haben dann davon eine sehr aufwändige Show gemacht, mit Kostümen aus ihrer Zeit, Frisuren, Dekorationen, einer Bigband, einem Dokumentarfilm über ihr Leben, der auf eine Leinwand auf der Bühne projiziert wurde usw. Und es wurde ein großer Erfolg, wir spielten acht Wochen lang jeden Tag vor vollem Haus und gingen in England auf Tournee.
Würden Sie sich trauen, mit dieser Show auch in die USA zu gehen?
Ob ich mich trauen würde? Ich weiß nicht, aber in einer der ersten Vorstellungen in Dublin saßen einige Afroamerikaner in der ersten Reihe. Sie waren schon sehr alt, und sie fragten, ob sie nach der Show hinter die Bühne kommen dürften.
Die Frau weinte sich die Augen aus, und es stellte sich heraus, dass Billie Holliday zu ihrer Hochzeit gesungen hatte. Und sie sagten, sie hätten seit ihrem Tod ihre Musik nicht so gehört wie von mir, und das war das größte Kompliment, das es für mich geben konnte.
Ich kopiere ja nicht ihren Gesang, aber ich habe sie immer geliebt. Ihre Musik wohlgemerkt, ihrem Leben wollte ich nicht unbedingt nacheifern. Sie starb ja an der Drogensucht. Und doch gab es da viele Parallelen.
Mögen Sie ein wenig über ihre Karriere erzählen?
Ich habe 1985 mit dem Singen angefangen, da war ich schon 29 Jahre alt. Der Produzent Erik Visser hörte mich auf eine Party singen, überredete mich zu den Aufnahmen und wir machten die Platte „Tired and Emotional“ zusammen, die 26 Wochen lang Nr. 1 in den Charts blieb. Ich hatte einen riesigen Erfolg.
Bedeutete das viel Geld?
Nein, das bedeutete viel Arbeit. Ich verdiene jetzt, wenn ich mit meinem Pianisten Peter O'Brien auf solch eine kleine Tournee gehe, mehr Geld als damals. Ich kannte mich im Geschäft nicht aus und die anderen verdienten an mir. 1991 war ich pleite, mein Buchhalter war mit dem Geld nach Amerika abgehauen, die Bank nahm das Haus und ich begann zu trinken wie ein Fisch, verlor völlig die Kontrolle und war fünf Jahre später in einer fürchterlichen körperlichen und seelischen Verfassung.
Jetzt habe ich inzwischen acht Jahre lang keinen Drink angerührt und habe trotzdem immer noch Pech mit den Plattenfirmen, die meist gerade dann Pleite gehen, wenn ich wieder eine Platte herausbringen will.
Was glauben Sie, warum hier in Europa die Iren den Blues haben? Es gab und gibt neben Ihnen dort viele gute Bluesmusiker, Van Morrison ist Ire. Gibt es dafür eine Erklärung?
700 Jahre Okkupation! Es ist wohl in unserer Psyche. Wir waren die Opfer, und beim Blues geht es auch darum, die Opferrolle zu überwinden, indem man über seine Situation singt. Die traditionelle irische Musik kommt daher.
Und die Iren singen ja fast alle selber, in den Pubs gibt es diese Tradition...
Die gab es einmal, jetzt gibt es den „Riverdance“.
Der „Riverdance“ hat die ganze Tradition des irischen Pubsinging zerstört? Das ist schwer zu glauben.
Aber es ist leider so. Der „Riverdance“ symbolisiert ja nur dieses ganze Phänomen, des ökonomischen Erfolgs, der über Irland hereinbrach. Alle denken jetzt nur noch an das Geld; für Familie, Freunde und Musik hat kaum noch einer Zeit, und die alten irischen Traditionen gehen dabei ganz schnell den Bach herunter.
Das Gespräch führte Wilfried Hippen
„Sparkasse in concert“ präsentiert Mary Coughlan heute Abend um 21 Uhr im Sendesaal von Radio Bremen. Ein Teil des Konzerts wird ab 22.05 Uhr live im NordwestRadio übertragen. Am Donnerstag um 20 Uhr kann man sie ebenfalls zusammen mit ihrem Pianisten Peter O'Brien ab 20 Uhr im Rathaus Stuhr erleben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen