: Sparkasse unter Druck gesetzt
■ Ehemaliger Sparkassen-Mitarbeiter wirft dem Geldinstitut vor, dass er seine Kunden falsch beraten hat und dass dies bei besserer Aufsicht vermieden worden wäre / Sparkasse widerspricht
Frauen haben ein besseres Händchen an der Börse gehabt – jedenfalls in dem Krisenjahr 2001. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Münchener Direktbank DAB. Der Grund ist relativ schlicht: Frauen waren in Geldsachen weniger risikofreudig, haben also in den Boomjahren weniger Gewinne eingeheimst – und folglich weniger davon verloren, als die Kurse bergab gingen.
Sönke Liebig ist ein Mann. „Ich habe die mentale Stärke, auch Kursverluste auszusitzen“, sagte er zu buten un binnen. „Ich war jahrelang erfolgreich.“ Eben bis 2001. Und dann ging es bergab. Aber Liebig war kein gewöhnlicher Spekulant, er war hauptberuflich Anlageberater bei der Bremer Sparkasse. Der tat, wovon in jedem schlichten Ratgeber strengstens abgeraten wird: Er lieh sich Geld zu festem Zinssatz, um es in spekulativen Aktien anzulegen. Auch bei seinem eigenen Arbeitgeber. Als die Kurse absackten, hatte er Kassen-Schulden in Millionen-Höhe. Die Sparkasse hat sich zum 1. Mai 2001 „im gegenseitigen Einvernehmen“ von dem 36-Jährigen getrennt. Im Februar 2002 klopfte er wieder an, so stellt es die Sparkasse dar, und wollte, dass sein früherer Arbeitgeber ihm finanziell helfen sollte, weil die anderen Kreditinstitute ihr Geld zurückverlangten. Die Sparkasse lehnte ab. Liebig erklärte, „dass er sich an die Öffentlichkeit wenden wollte, um die Sparkasse zu belasten“, heißt es in der Mitteilung der Sparkasse zu dem Fall. Es handele sich offenkundig „um den Versuch, die Sparkasse unter Druck zu setzen“.
Liebig ging an die Öffentlichkeit – das Fachmagazin „Telebörse“ berichtete in der vergangenen Woche über den Fall. „Ich war der Guru“, lobte sich Liebig da selbst, die Sparkasse habe die „Fürsorgepflicht“ vernachlässigt und nicht hinreichend auf ihn aufgepasst. Seit vergangenem Donnerstag darf Liebig das auf Grund einer Unterlassungserklärung nicht mehr öffentlich behaupten. Liebig seinerseits steht nun unter Druck: Berliner Anwälte haben vor dem Bremer Landgericht zwei Klagen von „Kunden“ von Liebig eingereicht, die sich falsch oder unzureichend über die Risiken spekulativer Wertpapiergeschäfte aufgeklärt fühlen. Auch diese beiden Sparkassen-Kunden, so die Sparkasse, haben „bis hin zur höchsten Risikoklasse“ spekuliert, viel gewonnen – und am Ende viel verloren. Ihre Klage, sie seien nicht aufgeklärt worden, hält die Sparkasse für „unbegründet“ – es sei denn, der Mitarbeiter Liebig hätte „gegen alle sein Arbeitsfeld regelnde Arbeitsanweisungen verstoßen. Die Sparkasse hat keinen Anlass, dies anzunehmen.“
Gegenüber dem Magazin „Telebörse“ hatte Liebig noch schwerere Vorwürfe formuliert: „In dieser Sparkasse wurde mit System gegen Gesetze verstoßen – und gegen so ziemlich alle selbst erlassenen oder von den Aufsichtsämtern verfügten Richtlinien.“ Die Sparkasse findet diese Vorwürfe allerdings „haltlos“, Probleme habe es nur mit Liebig und seinen Kunden gegeben. Zum Ende des Krisenjahres 2001 erleidet Liebig einen Nervenzusammenbruch. Damals trennte sich die Sparkasse von ihm und erließ im eine Million Mark seiner Kassen-Schulden.
Heute wollen die abgestürzten Kunden in einer Pressekonferenz ihre Vorwürfe gegen Liebig und die Sparkasse an die Öffentlichkeit tragen, um Druck zu machen.
Klaus Wolschner
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