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„Den haben wir mit rübergebracht“

Im Staatsratsgebäude sollte es zur löblichen Abwechslung um den Inhalt und nicht um die Form des neuen Schlosses gehen. Das Problem: Es war eine Veranstaltung mit vielen älteren Gästen, die an den Palast der Republik noch gute Erinnerung haben

von JAN ROSENKRANZ

Es musste ja so kommen. Irgendwann reichte es dem kleinen alten Mann mit den kurzen Haaren. Unruhig war er auf seinem Stuhl herumgerutscht, hatte sich nach vorn gebeugt und rüber zu der kleinen Frau im großen, gelben Jackett, die genauso schlecht saß. Dann hielt es ihn nicht mehr. „Phraseologie!“, rief der Mann plötzlich. „Nichts als Phraseologie!“

Vorne, dort wo die Diskutanten saßen, da saß auch Friedrich Dieckmann, Publizist, Stadt-Essayist und nun Exmitglied der Schlossplatz-Kommission. Dort saß auch Thomas Flierl, Kultursenator, PDS, wie immer man in black. Zwischen beiden saß Bernhard Schulz, Kulturredakteur, Moderator. Nur Dorothee Dubrau, Baustädträtin für Mitte, Grüne, war gefangen in einem Ausschuss. Hinter den dreien stand auf einer großen Klappwand „Berliner Themen“, und alle wollten zum Thema „Von der Stadtmitte zum Bürgerforum“ reden. Es sollte also zur löblichen Abwechslung um den Inhalt und nicht um die Form gehen.

Natürlich kam es dann doch anders. Weil: PDS-Veranstaltung. Weil: 60 überwiegend ältere Gäste im Staatsratsgebäude; und nicht zuletzt, weil es im Bericht der Kommission lapidar heißt, dass der Palast aus städtebaulichen Gründen nicht erhalten bleiben soll. Vorn unterhielt man sich entspannt übers „Humboldt-Forum“, doch im Publikum brodelte es. Man selbst werde ja nie gefragt, nur die Kommission und irgendwelche Architekten und alle hätten vor allem eines im Sinn: den Palast kaputtzumachen. Zwar kam Dieckmann dazu, zu sagen, man brauche nebst dem Raum für die Dahlemer Museen und der Humboldt-Sammlung auch ein Bürgerforum, weil das im Band des Bundes, zum Missfallen des Architekten Schultes, nicht gebaut wurde. Und Flierl sagte: „Sosehr der Platz momentan als Wunde gesehen wird, so sehr sollte er doch künftig dienen, auch die unterschiedlichen Geschichten zu vereinen.“ Keine dummen Sachen also, aber viele wollten lieber über andere Dinge reden.

„Phraseologie!“, rief der Alte deshalb aufgeregt, raffte den kultigen Jeansanzug, ging zum Mikro und sprach mit russischem Akzent: „Mein Name ist Rubinow, Dr. Wladimir Rubinow.“ Er gehöre zur kleinen Gruppe von Fachleuten, die sich überhaupt mit „polyvalenten kulturellen Einrichtungen“ auskennen, und sei trotzdem nicht in die Kommission berufen worden. Obwohl die Projektanten des Chemnitzer „Kultur- und Kongresszentrums“ nach seinen Entwürfen gearbeitet hätten, die später als Vorlage für den großen Saal im Palast dienten. Diese Kommission sei zu schwach im Vergleich zur Kommission Pompidou und sein Eindruck sei darum: „Das ist alles sehr provinziell.“ Dann kam Frau Dubrau. Als Erstes sagte sie, eine Schlossfassade sei rückwärts gewandt und sie fände es richtig, Teile des Palastes einzubeziehen. So was bringt Applaus, den ersten des Abends. Herr Rubinow nickte energisch, die Frau in Gelb, die Vorsitzende des Vereins zum Erhalt des Palastes, auch. Dann meldete sich Claudia Lux, die Chefin der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) zu Wort und reklamierte, „die Lebendigkeit sei doch der Grund, die ZLB an den Schlossplatz zu holen“. Täglich kämen bis zu 7.000 Besucher, begründete sie. In jeder Stadt sei die Bibliothek die meistgenutzte kulturelle Einrichtung.

Dann ging die kleine Frau in Gelb zum Mikro und sagte: „Schulz“, und dann, dass die Kommission nur einen Zweck hatte: dass der Palast wegkommt. Der sei, wie der ganze Platz, Eigentum der ehemaligen DDR-Bürger. „Wir haben den doch mit rübergebracht.“ Der Moderator sagte noch ja, ja und das sei heute nicht das Thema, was mit dem Palast passiert. Aber irgendwie war es das dann doch.

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