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Streit über Kontrolle der C-Waffen

Der Generaldirektor der Überwachungsorganisation für das Verbot chemischer Waffen verliert seinen Posten. Dahinter stecken vor allem die USA. Er hatte sich um Kooperation mit dem Irak bemüht. Dies hätte die Begründung eines Angriffs erschwert

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Auf Druck der USA ist am Montagabend der Generaldirektor der Überwachungsorganisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag, der Brasilianer Jose Bustani, vorzeitig aus seinem Amt entfernt worden. Die politischen Hintergründe wie die formale Rechtmäßigkeit dieses in der Geschichte multilateraler Institutionen bislang beispiellosen Vorgangs sind unter den Beteiligten heftig umstritten.

Die OPWC hat die Aufgabe, das 1997 in Kraft getretene Abkommen zum Verbot von Chemiewaffen zu überwachen, darunter die Vernichtung aller noch existierenden C-Waffen-Bestände bis spätestens 2007. Die Überwachung geschieht durch regelmäßige Routineinspektionen sowie durch unangekündigte Verdachtskontrollen in den 145 Vertragsstaaten. 100 dieser Staaten bilden den OPCW-Exekutivrat. Auf seiner ersten, von den USA beantragten Sondersitzung unterstützte der Rat am Montagabend nach zweitägiger Debatte hinter verschlossenen Türen die Forderung Washingtons nach Abwahl Bustanis mit 48 gegen 7 Stimmen bei 43 Enthaltungen. Auch Deutschland und 10 weitere EU-Staaten votierten gegen den Brasilianer.

Die Bush-Administration hatte Bustani „finanzielle Misswirtschaft“, „Parteilichkeit“ und „Überschreiten seiner Kompetenzen“ vorgeworfen. Unter anderem habe er aus „unzulässigen politischen Gründen“ Inspektionen der OPCW in fünf (von Washington zumindest öffentlich nicht namentlich genannten) Staaten angekündigt.

Nach Informationen der taz handelt es sich bei einem der fünf Staaten um die USA. Washington hat – bereits zu Zeiten der Clinton-Administration – mehrfach gegen Bestimmungen der C-Waffen-Konvention verstoßen: OPCW-Inspekteure durften bestimmte Einrichtungen nicht betreten; Inspekteure mit den USA nicht genehmer Nationalität wurde die Einreise gänzlich verweigert; ein inzwischen vom Kongress verabschiedetes Gesetz ermächtigt die Administration, Verdachtskontrollen der OPWC völlig zu verhindern und den Inspekteuren die Entnahme verdächtiger chemischer Substanzen zwecks Untersuchung zu untersagen. Washingtons Vorwurf der „Parteilichkeit“ falle auf die USA zurück, erklärte Bustani vor dem OPCW-Exekutivrat. Es habe sich strikt an den Auftrag gehalten, den Überwachungsauftrag seiner Behörde in allen Mitgliedsstaaten gleichermaßen durchzusetzen.

Als „Kompetenzüberschreitung“ kritisiert die Bush-Administration auch die intensiven Bemühungen des bisherigen OPCW-Chefs, den Irak zur Ratifizierung des C-Waffen-Verbots zu bewegen. Denn – so wird in Bustanis Umgebung vermutet – nach einer Ratifizierung könnte Bagdad OPWC-Inspekteure zulassen und damit den Vereinigten Staaten „die Begründung militärischer Aktionen gegen Irak erheblich erschweren“.

Es fällt auf, dass die Bush-Administration ihre Kampagne zur Abwahl Bustanis erst Anfang dieses Jahres startete, zeitgleich mit Beginn ihrer öffentlichen Erwägungen einer Militäraktion gegen Irak. Noch im Herbst letzten Jahres hatte US-Außenminister Colin Powell in einem Schreiben an den OPCW-Generaldirektor dessen „sehr eindrucksvolle Arbeit“ gelobt. Jetzt ist von einigen EU-Regierungen zu hören, schon seit über zwei Jahren habe man kritische Einwände gegen Bustanis Arbeit. Vor der Absetzung des Generaldirektors am Montagabend hatten die USA gedroht, die Zahlung ihrer vertraglichen Pflichtbeiträge an das OPCW ganz einzustellen. Laut Statut muss Washington 22 Prozent des OPCW-Budgets finanzieren, das sich derzeit auf knapp 60 Millionen Dollar beläuft.

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