Populäre Baumwollen

Mit Handtuchkitsch zeigt Louise Paramor in der Galerie breitengraser, wie die Ikonen des Alltags funktionieren

Es sieht aus, als ob man sich in einen vietnamesischen oder türkischen Schnäppchenladen verirrt hätte. Statt Plastiken oder Installationen hängen in der Galerie breitengraser zehn Badehandtücher der kitschigen Extraklasse an Stangen wie zum Verkauf. Nur dass sie den Rahmen des in Ramschgeschäften üblichen sprengen. Die Künstlerin Louise Paramor setzt mit ihrer zweiten Einzelausstellung im „room für contemporary sculpture“ ihre konzeptuelle wie plastische Auseinandersetzung mit populärer Ästhetik fort. Wobei „populär“ arg euphemistisch klingt, gilt Kitsch vielen Kunstrezipienten doch nach wie vor als Igitt.

Auf den ersten Blick ist die Skepsis verständlich. Fast nackte Frauen werfen sich in vermeinlich sinnliche Posen. Mal mit Rose, mal mit Tiger oder Motorrad. Zwei Paare geben sich im Meer umschlungen der Liebe hin – nur der Mond sieht zu. Die Handtücher leuchten, nein schreien in intensiven Farben. Nie war ein Frauenmund roter als auf dieser bedruckten Baumwolle. Unglaublich, aber wahr: Die Badehandtücher sind echt, in Tschechien gekauft, „weil deutsche Pendants nicht kitschig genug waren.“ Louise Paramor hat Bildunterschriften aufgestickt. Die auf Baumwolle visualisierten klischeehaften Vorstellungen von Romantik und Erotik erhalten dadurch den letzten Schliff. „Her Passion für Dr. Jones“, „The Millionaire’s Mistress“ oder „A Lovin’ Spoonful“ sagen eigentlich alles und lesen sich wie Titel von englischsprachigen Groschenromanen.

Es sind original Buchtitel von „Mills and Boon“-Liebesromanen, die in Australien und Großbritannien sehr beliebt sind. Davon liegen 480 Stück ordentlich gestapelt in einer Acrylbox, alles gebrauchte Exemplare. Angeblich schaffte es Paramor, sich durch zwei Billigromane zu quälen. Vielleicht „Marriage in Jeopardy“ oder „Aunt Lucy’s Lover“?

Natürlich gleichen sich auch die Cover. Überall Paare in inniger Umarmung. Nur die Kleidung und Frisuren variieren. Die Bildersprache dieser Seifenopern in gedruckter Form findet sich in einer Fotoserie, die stilisierte Liebespaare zeigt. Sie scheinen gemalt zu sein, doch Paramor hat befreundete Paare fotografiert und die Aufnahmen mittels Photoshop manipuliert, als Zeichen der ebenso beliebten wie einfachen Technik. Irgendwelche Filter lassen die Bilder richtig billig aussehen. Die Titel referieren den Sprachstil der Billigromane.

Auch wenn die Arbeiten zunächst unverfänglich scheinen, schimmert hinter der beabsichtigten kitschigen Oberfläche die reale Zweisamkeit durch. So könnte die gerade bügelnde und trotzdem adrett geschminkte Hausfrau, die demütig und freudig ihren nach Hause kommenden Mann begrüßt, im nächsten (leider nicht vorhandenen) Bild mit dem Bügeleisen ausholen.

Die Kombination der drei Werkgruppen verbindet billige Materialien mit vulgären und realen Bildvorstellungen, um einen übergreifenden Rahmen herzustellen. Via formalisierter Skulpturen werden massenhaft konsumierte visuelle Klischees zur Kunst erhoben. Mit den in die Galerie geholten Bilderwelten lädt Louise Paramor zum Überdenken von Vorurteilen in punkto Alltagswelt ein. Und zeigt, dass sich hinter der Sehnsucht nach Kitsch starke Gefühle verbergen. Nach heiler Welt, Glück, Romantik, erfüllte Sexualität und Liebe.

ANDREAS HERGETH

Bis 3.05., Mi bis Sa 15–20 Uhr, Galerie breitengraser – room for contemporary sculpture, Sophienstraße 34.