: Schnelle Ideen
SPD verspricht 300 Straßen und eine Mittelstandsbank
BERLIN taz ■ Pech für SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder: Der Aufschwung kommt erst nach der Wahl. Um den Wählern bis zum September freundlichere Wirtschaftdaten melden zu können, muss dem Bundeskanzler schon jetzt ein Gute-Laune-Programm einfallen. Aber sechs Monate vor der Wahl bleibt nur noch Zeit für symbolische Projekte.
Das klangvolle „Zukunftsprogramm Mobilität“ vom Bundesverkehrsministerium sichere die wirtschaftliche Zukunft, sagt Verkehrsminister Kurt Bodewig. Bis 2010 sollen in ganz Deutschland 300 Ortsumgehungen neu entstehen. Wie Bodewig auf die Zahl von „etwa 300“ verkehrsgeplagten Innenstädten kommt und welche das sein sollen, bleibt sein Geheimnis – offenkundig ist, dass auf diese Weise jeder der 299 Wahlkreise mit einer geplanten Umgehungsstraße für sich werben kann.
Zusammen mit dem Ausbau von 1.100 Kilometern Autobahnen auf sechs Spuren sollen bis 2010 private Investitionen von rund 100 Milliarden Euro ausgelöst werden. Und jede investierte Milliarde, so Verkehrsminister Bodewig, „kann 13.000 Arbeitsplätze sichern“.
Kritiker sehen in dem „Zukunftsprogramm“ einen Schnellschuss im Wahlkampf. Gerade Neubauprojekte werden von Großfirmen übernommen, die häufig nur Saisonarbeiter einstellen. „Kurz vor der Bundestagswahl bricht im Verkehrsministerium wieder die alte Spatenstichmentalität aus“, sagt Gerhard Timm, Bundesgeschäftsführer der Umweltorganisation BUND. Während vor der Wahl nach dem Gießkannenprinzip Geld für überflüssige Prestigeobjekte ausgegeben werde, fehle es bei der Bahn und bei Straßenreparaturen. „Mittlerweile ist fast ein Viertel des deutschen Straßensystems nur noch eingeschränkt nutzbar.“
Im Wahlkampf reanimiert Schröder auch wieder sein Herz für den Mittelstand als „wichtigsten Motor für Aufschwung.“ Unlängst kündigte er an, eine neue Mittelstandsbank zu gründen, die „bessere Finanzierungsmöglichkeiten für mittelständische und kleine Unternehmen“ eröffnen soll.
Offenbar ist Schröder bemüht, sein Image als „Genosse der Bosse“ abzustreifen. Nach seiner großen Steuerreform tragen nach wie vor Arbeitnehmer den Hauptteil der Steuerlast, Unternehmen zahlen weniger als zu Zeiten der Regierung von CDU-Kanzler Helmut Kohl.
Das Problem bei der neuen Bank: Mit der „Gründer- und Mittelstandsbank“ des Bundes und der „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ gibt es in Deutschland bereits zwei Banken, die sich an den Mittelstand wenden. „Die neue Mittelstandsbank ist nur eine rhetorische Verdrehung“, sagt Rudolf Hickel von der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“.
Die Regierung habe vielmehr versäumt, die Binnennachfrage zu stärken. „Rot-Grün glaubt immer noch daran, dass Unternehmen freiwillig in Arbeitsplätze investieren, wenn nur die finanziellen Belastungen gering sind“, so Hickel. Und: „Für einen schnellen Aufschwung vor der Wahl ist es jetzt zu spät. “
ANNIKA JOERES
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