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Goldrausch im Hochparterre

■ Erwin Noack hat seinen Werkzeugkasten für den Kunstverein geplündert

So ein rustikaler Holz-Tresen hat etwas beruhigendes. Vor allem wenn er in einem Vereinsheim steht und einen Zapfhahn hat, einen massiven, einen, der ganz offensichtlich gut in Betrieb ist. Fehlt nur noch der Fernseher mit Bundesliga live und der Vereinswimpel mit Star-Unterschriften. Aber beides gibt es nicht. Dafür hängt da ein Foto von Picasso. Ein kleines. Man geht hier nicht damit hausieren, dass dieser Verein ein Kunstverein ist.

Der Kunstverein „Humboldt & Schlüter“ verfolgt ein einzigartiges Konzept: Die Galerie befindet sich in einer Hochparterre-Wohnung in der Humboldtstraße und sie ist ebenso Ausstellungsraum wie Kneipe. Vor allem aber ist die Galerie ein Denkmal für den 1998 verstorbenen Bremer Künstler Gerhard Schlüter. Denn es ist seine Wohnung, in der der Kunstverein Kunst und Kneipe kombiniert, täglich ab 18 Uhr mit offenem Ende.

Spät werden wird's an diesem Samstag. Es gibt etwas zu feiern, nämlich die Eröffnung der Ausstellung „Werk-Zeugen“. Der Bremer Künstler Erwin Noack, 62, früher Grafiker, Dekorateur und Musiker, heute Künstler und tresenerfahrener Kunstverein-Freund, stellt sein Werkzeug aus. Sägen, Schaufeln, Hacken, Zirkel, Pinzetten, schweres Gerät und Feinarbeit-Instrumente, Kuriositäten und Alltagbekanntes hat Erwin Noack an die Wände der Galerie-Wohnung genagelt. Geräte, die Noack viele Jahre begleitet haben und die zu „Werk-Zeugen“ seines Lebens geworden sind.

„Vielfalt zeigen“, so Noack, darum gehe es. „Zeigen, wie es früher ausgesehen hat.“ Denn, und das kommt von Kunstverein-Geschäftsführer und Ex-“Nix“-Wirt Günter Parzentny: „Heutzutage fasst so ein Werkzeug kein Mensch mehr an. Wir sind ja im kulturellen Umschwung, alles geht nur noch über den Computer. Handwerk ist nicht mehr gefragt. Und wer nicht gebildet ist, hat die Arschkarte.“

Soviel zum großen Zusammenhang. Aber der Kunstverein wäre nicht der Kunstverein, wenn er sich auf den großen Zusammenhang beschränken würde. Denn natürlich geht's darum, was die Kunst ganz unmittelbar zu sagen hat: „Lacht die Zange oder weint sie?“ fragt Noack und Parzentny meint: „Wir sollten das Waschbrett tiefer hängen und den Hobel darüber. Vielleicht kann man da dann eine Figur erkennen.“

„Fantasielos“ seien die Leute oft, so Parzentny, und er freut sich, wenn an seinem Tresen „heiß debattiert wird über die Bedeutung der Kunst.“ Die Astschere hängt er neben dem Türstock auf, „als Klingel“. Und zu der Spitzhacke fallen ihm Goldgräber in Californien ein. „Erst haben die mit sowas gearbeitet, dann haben sie sich die Schädel eingeschlagen. Das hier ist nun der Rest. Kaputte Hacken und kaputte Schaufeln. Und alles vergammelt und kein Gold.“

Tatsächlich glitzert nichts in der Galerie-Kneipe des Kunstvereins, denn es ist eine skurile Gegenwelt zur Kulturschickeria, zu wohlfeilem Ästhetik-Tand und Bildungsgehabe: Erwins Freunde kümmern sich um das Vernissagen-Buffet, die angehende Kunststudentin Denise hält die Laudatio, und für Leute, die eines der wenigen Noack-Stilleben zwischen den Werkzeugen kaufen wollen, gilt: „Wenn die nicht alles bezahlen können, dann säge ich es eben durch.“ Klaus Irler

Ausstellungseröffnung ist heute um 20 Uhr in der Humboldtstrasse 67. „Werk-Zeugen“ ist zu sehen bis zum 2.6.02, täglich ab 18 Uhr, sonntags ab 20 Uhr.

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