piwik no script img

Verrenken statt schenken

Von wegen Provinz: Ohne Schwaben gäbe es keine besetzten Häuser und ohne Badener keinen revolutionären 1. Mai. Auch in Berlin feierte Baden-Württemberg seinen Geburtstag

Am Dienstag feierte das Bundesland Baden-Württemberg seinen 50. Geburtstag. Die Bildung des neuen Bundeslandes war damals umstritten, die Badener wollten diese Liason nicht, wurden aber bei den Wahlmodalitäten benachteiligt. So kommt es, dass die Animositäten zwischen den Badenern und Württembergern stets weiter gepflegt werden. In Berlin mag das verwundern, halten doch die Berliner grundsätzlich alle Menschen südlich des Mains für Exoten. Man beschränkt sich darauf, in Beschreibungen neuer Szeneviertel abfällig zu bemerken, dass dort hauptsächlich Schwaben hausen, um die Provinzialität Berlins zu unterstreichen.

Dabei sind die Kulturleistungen der Schwaben und Badener in Berlin unübersehbar! Die Hausbesetzerbewegung der frühen 80er-Jahre wäre zum Beispiel durch die schwäbischen Tugenden Fleiß, Durchhaltevermögen und Sparsamkeit niemals zur Instandbesetzungsbewegung geworden. Genauso wenig wäre es in Berlin zum ersten 1. Mai gekommen, hätten nicht die Badener ihr revolutionäres Temperament – siehe badische Revolution von 1848/49 – mit in die neue Heimat gebracht.

Trotzdem ist es auch für eine sich als Berlinerin empfindende Badenerin immer noch unangenehm, für eine Schwäbin gehalten zu werden. Die aktuelle Imagekampagne Baden-Württembergs mit der tollkühnen Behauptung, das südwestliche Bundesland sei das „Kalifornien Deutschands“, kann da wenig zur Identifikation beitragen.

In der Ländervertretung Baden-Württembergs in der Tiergartenstraße begrüßt am Dienstagabend Minister Köberle in akzentfreiem Schwäbisch die Gäste. Ein Herr Volz von der Deutschen Verlags Anstalt zählt all die hervorragenden Autoren auf, die in seinem Verlag schon über B-W geschrieben haben, und kündigt Prof. Hermann Bausinger an, der sein neues Buch „Die bessere Hälfte“ vorstellt, welches sich mit der schwierigen Beziehung zwischen Badenern und Schwaben, befasst.

Bausinger legt zuerst das gängige Bild des Badeners vom Schwaben dar. Das ist sehr lustig, sogar die schwäbischen Männer lachen lauthals und die Frauen kreischen vor Vergnügen. Er erzählt davon, wie es einen Schwaben in den Wahnsinn treibt, dass er nicht kontrollieren kann, ob das Licht im Kühlschrank aus ist. Seltsamerweise gibt es umgekehrt kaum Witze von Schwaben über Badener, das mag an mangelnder Erfindungsgabe oder einfach an der Tatsache liegen, dass derjenige, der mehr unter dem anderen leidet, auch mehr Witze machen muss.

Badener gelten als gesellig, weltoffen, liberal und leiblichen Genüssen zugetan, die Nähe zu Frankreich verfeinerte die Gastronomie und verstärkte ihr Freiheitsdenken. Schwaben hingegen werden als geizig, humorlos und übertrieben ordnungsliebend dargestellt. Ihr Pietismus, ihre rigide Arbeitsmoral passte nicht zum Laissez-faire und der katholischen Sinnenfreudigkeit Badens.

Bausinger führt anschaulich den Sinn von solchen Stereotypen auf, erklärt, wie Baden durch die Reparationszahlungen nach dem Ersten Weltkrieg stark zu leiden hatte und gegen das reichere Schwaben ins Hintertreffen geriet. Aber im neuen Bundesland habe man sich um Integration bemüht, so dass es heute viele Gemeinsamkeiten gebe. Nach diesen versöhnlichen Worten und viel Applaus für den kurzweiligen Vortrag wird das Büffet eröffnet: Maultaschen, gelbe Spätzle mit Soße, Rosé aus Württemberg und Weißwein aus Baden. Richtig ausgelassene Stimmung kommt indes nicht auf. Beharrlich und freudlos wird getreu dem Motto „Lieber der Magen verrenkt wie dem Wirt was g’schenkt“ wird einfach alles aufgegessen und leer getrunken. CHRISTIANE RÖSINGER

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen