Gut, dass wir geredet haben

Auf Berlins erster Sprachkonferenz machen sich Pädagogen des Bezirks Mitte Gedanken darüber, wie sie nicht nur Kindern besseres Deutsch beibringen können. Doch alle Vorschläge kollidieren mit den Zwängen realer Sparpolitik

Sprachkonferenz – das klingt zunächst nach langatmigen Referaten und zähen Diskussionen. Wenn sich aber 120 Sozialpädagogen, Erzieherinnen und Lehrer treffen, um über das Sprachvermögen ihrer Zielgruppe zu reden, dann funktioniert das anders: Sie malen Themenbäume auf braunes Packpapier und stellen den Schulalltag in Rollenspielen dar.

Doch von vorne: Die Quartiersmanager von Mitte hatten am Donnerstag gemeinsam mit dem Bezirksamt in den „Glaskasten“ an der Prinzenallee geladen, um einen besonderen Kooperationsversuch zu starten. Pädagogen sollten zusammen mit Sprachwissenschaftlern und anderen Experten die ersten Grundlagen eines Konzepts zur Sprachförderung festzurren – in Berlin ein einzigartiges Vorhaben. Neu ist, dass die Konferenz Sprachprobleme sowohl von Kindern und Erwachsenen – also altersübergreifend – und von der Kita bis zur Volkshochschule behandeln wollte. „In unserem Bezirk sind die Probleme und der Leidensdruck der Pädagogen besonders groß“, sagt Petra Patz-Drüke, Referentin des Bezirksbürgermeisters. Schließlich leben besonders im Tiergarten und Wedding viele Migranten, im Alt-Wedding sind es rund 30 Prozent.

In Arbeitsgruppen versuchten vormittags alle, sich in die Situation von Migranten zu versetzen: Warum lernen die Zuzügler kein oder nur mangelhaft Deutsch? Die Pädagogen notierten, womit sie konfrontiert werden: mit einem hohen Fernseh- und Videokonsum der Kinder beispielsweise, rein muttersprachlichen Eltern und zu großen Kindergruppen. In einem zweiten Schritt, einer Art Wünsch-dir-was-Runde versuchten sie, neue Konzepte, Sprachprobleme in der Praxis auszuräumen, zu skizzieren.

An diesem Punkt kollidierte die gut gemeinte Konferenz schnell mit den Zwängen der realen Politik: „Keine Mittelkürzungen!“ stand ganz oben auf einer Liste. Auch weitere Lösungsvorschläge, wie kostenfreie Sprachkurse vor der Grundschule und übergreifende Elternangebote, werden angesichts der Sparzwänge wohl nie das Packpapier verlassen. Dessen ist sich auch Patz-Drüke bewusst. „Vieles ist aber auch weniger kostenintensiv. Zum Beispiel die Vernetzung verschiedener Bildungseinrichtungen und die Kontaktaufnahme untereinander.“

Barrieren innerhalb des Bildungssystems aufzubrechen, war erklärtes Ziel der Konferenz. Besonders die Schulen seien oft „geschlossene Systeme“, sagt Mitorganisatorin Regina Kahl von der Jugendhilfegesellschaft Casablanca: „Viele Lehrer fühlen sich als Einzelkämpfer und wünschen sich den Rat eines Sozialpädagogen. Umgekehrt wissen die Pädagogen nicht, wo und wen sie anrufen müssen.“

In vier Wochen soll eine Dokumentation die Ergebnisse zusammenfassen. „Das Bezirksamt wird die Vorschläge auswerten und dann strukturelle Entscheidungen treffen“, versprach Bürgermeister-Referentin Patz-Drüke zum Ende der Veranstaltung. Eine ist schon getroffen: Der Bezirk Mitte will im Herbst das Sprachvermögen vierjähriger Kinder in 43 Kindertagesstätten testen lassen – gekoppelt mit einer gezielten Sprachförderung und der Weiterbildung von Erzieherinnen.

ULRICH SCHULTE