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Heimspiel um Europas Krone

Ohne die gewohnte spielerische Leichtigkeit, aber dennoch souverän erreichen die Fußballerinnen des 1. FFC Frankfurt mit einem 0:0 gegen Toulouse das erste Uefa-Cup-Finale der Frauen, das am 23. Mai im Waldstadion stattfindet

FRANKFURT/MAIN taz ■ Weit ist der 1. FFC Frankfurt nicht mehr von Eintracht Frankfurt entfernt. Was keine Beleidigung für die Fußballerinnen sein soll. Sportlich ist die weibliche Konkurrenz der männlichen ohnehin um Längen voraus. Jetzt holen sie auch noch bei den Zuschauerzahlen auf. Das letzte Heimspiel des krisengeschüttelten Zweitligisten Eintracht Frankfurt gegen Oberhausen sahen gerade noch 6.000 Anhänger, zum Rückspiel im Halbfinale um den Uefa-Pokal des 1. FFC Frankfurt gegen den französischen Meister Toulouse FC waren 3.700 Neugierige da. Deutscher Vereinsrekord im Frauenfußball seit Bestehen der Bundesliga.

Alle wollten sehen, was vorher schon festzustehen schien: Den Frankfurter Durchmarsch in das Finale des erstmals ausgetragenen Europapokals im Frauenfußball gegen Umea IK aus Schweden. Ein Endspiel nach dem Motto: Bring den Frauenfußball nach Hause, nach Frankfurt. Denn praktischerweise wäre (und ist) die Anreise des 1. FFC nicht weit: vom Frankfurter Westen in den Frankfurter Süden ins Waldstadion, dort wo sich sonst die Kundschaft mit der Frankfurter Eintracht herumärgert. Dort steigt nun am 23. Mai das letzte Fußballspiel in der 77-jährigen Geschichte des ehrwürdigen Stadions, danach wird es in eine moderne Arena umgebaut. Symbolischer kann es nicht sein: Vergangene Geschichte wird von neuer Historie abgelöst, die ganz politisch korrekt von Frauen geschrieben wird.

Ein bisschen viel an fußballerischer und feministischer Geschichtsaufgabe für die FFC-Frauen, so schien es im entscheidenden Spiel gegen Toulouse trotz des 2:1-Hinspielsieges. Das Triple aus Meisterschaft, Pokalsieg und Europapokal-Finale vor Augen, dies bereitete selbst den erfolgsgewohnten „Diven vom Main“ eine gewisse nervliche Beklemmung. Alles war bislang so spielerisch leicht gewesen, in der Bundesliga ohnehin, und auch die ersten Runden im Uefa-Cup absolvierten sie mit einer gewissen Nonchalance. Aber der Unterhaching-Effekt macht nicht zwangsläufig um Frauen einen Bogen. Noch am Abend zuvor hatten sie Leverkusen im TV straucheln gesehen – die Medien hatten sie ohnehin schon ins Finale geschrieben, das ihr Manager Siegfried Dietrich auch noch mit seiner PR-Agentur im Auftrag der Uefa vermarktet: Da kommt man schon mal ins Grübeln.

Schließlich geht es im Frauenfußball nicht einfach nur um Erfolg. Als Kickerin muss man auch noch jedes Mal seine Daseinsberechtigung mit spielerischem Glanz beweisen. Und dann würde alle Welt lachen, wenn der 1. FFC mit Hurra-Fußball toll offensiv spielt, aber von den taktisch und spielerisch erstklassigen Französinnen ausgekontert würde und am Ende noch verlöre. So wagten die Frankfurterinnen den Spagat. Eine erstklassige erste Viertelstunde mit drei Top-Chancen. Als das nicht zum 1:0 führte, schlich sich die Herberger’sche Erkenntnis ein: 0:0 ist auch gewonnen. Nicht, dass sie darauf gespielt hätten, aber unnötiges Risiko gingen sie auch nicht mehr ein. Der Gegner aus Toulouse hatte im Hinspiel bewiesen, dass mit ihm nicht zu spaßen ist. Also kontrollierte der 1. FFC das Spiel mit kontrollierter Offensive. Dennoch hätte es locker 3:0 enden können. Bei Steffi Jones’ Kopfball in der 45. Minute stand sie, wenn überhaupt, nur knapp im Abseits. Beim Foul an Birgit Prinz nach 62. Minuten im Fünfmeterraum hätte eigentlich ein Strafstoß folgen müssen, und als Louise Hansen wenig später frei einschoss, hatten sich zwei Toulousiennes selbst ohne Fremdeinwirkung über den Haufen gelaufen.

So gesehen war es eher eine Portion Fußballweisheit, ein Tor zur Publikumsbelustigung nicht übers Knie brechen zu wollen. Denn schöner, aber erfolgloser Fußball hat es noch nie in die Geschichtsbücher geschafft – höchstens als Negativbeispiel wie bei Eintracht Frankfurt. Die spielten 1992 „Fußball 2000“ und stehen nun vor dem sportlichen und wirtschaftlichen Bankrott. MATTHIAS KITTMANN

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