: Bundesberuhigungsminister Schily
Otto Schily zieht „positive Bilanz“ bei der Verbrechensbekämpfung: Deutschland sei weltweit eines der sichersten Länder. Das findet die CDU auch. Dabei hat die Zahl aller Delikte 2001 leicht zugenommen – aber Mord und Totschlag wurden noch seltener
von LUKAS WALLRAFF
Den größten Teil seiner Amtszeit hat Innenminister Otto Schily damit verbracht, sein Image als Hardliner zu pflegen und die SPD als Law-and-Order-Partei zu profilieren. Seit einigen Wochen jedoch scheint sich Schily in einer neuen Rolle wohl zu fühlen. Auch gestern, bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik in Berlin, hörte sich der Innenminister eher an wie ein Bundesberuhigungsminister.
„Die Zahlen zeigen erneut, dass Deutschland zu den sichersten Ländern im internationalen Vergleich gehört“, stellte Schily fest. Bei den schweren Gewaltverbrechen wie Mord und Totschlag sei die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen. Auch bei der Aufklärungsquote hätten Polizei und Justiz ihr „hohes Niveau“ gehalten. Die leicht gestiegene Gesamtzahl der erfassten Straftaten (plus 1,6 Prozent) führte Schily auf ein „aktiveres Anzeigeverhalten der Bevölkerung“ und die intensivere Polizeiarbeit zurück.
Über die so genannte Ausländerkriminalität verlor Schily gestern kein Wort. Nur in seiner Pressemitteilung wies er darauf hin: „Der Anteil der Nichtdeutschen an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen war für das Jahr 2001 erneut rückläufig.“
Besonders erfreulich für Schily: Schönfärberei im Wahlkampf wird ihm die Union kaum vorhalten können. Bei seiner „positiven Bilanz“ wurde er nämlich vom Vorsitzenden der Innenministerkonferenz der Länder bestärkt – einem Unionsmann. „Insgesamt schließe ich mich den Einschätzungen von Herrn Schily an“, sagte Bremens Innensenator Kuno Böse. Der CDU-Politiker vergaß allerdings nicht zu bemerken, dass für die erfolgreiche Arbeit der Polizei „zu 90 Prozent die Länder zuständig“ seien.
Dem wollte Schily nicht widersprechen und lobte stattdessen „die gute Zusammenarbeit von Bund und Ländern“. Seine Zuständigkeit sieht der Minister im Moment offenbar vor allem in der Relativierung von Schreckensmeldungen. Wie schon nach dem Terroranschlag in Djerba warnt Schily auch nach dem Amoklauf in Erfurt und den Krawallen am 1. Mai in Berlin und Hamburg vor übertriebener Panikmache. „Natürlich ist jede Straftat, die begangen wird, negativ zu bewerten“, antwortete Schily betont trocken auf die Nachfrage eines Journalisten, „aber das, was besonders spektakulär ist, lässt sich nicht übertragen auf die Gesamtsituation.“
Forderungen nach härteren Strafen erteilte Schily eine Absage: „Wer glaubt, nach den Ereignissen in Erfurt das Strafrecht thematisieren zu sollen, der irrt.“ Schily wiederholte nur seinen Wunsch nach einer Verschärfung des Waffenrechts. Auch da stimmte sein CDU-Kollege zu. Der Bremer Innensenator betonte, dass es in dieser Frage eigentlich nie einen Konflikt zwischen Union und SPD gegeben habe, sondern zwischen Stadtstaaten und Flächenländern, „in denen Schützenvereine bekanntermaßen großen Einfluss haben“.
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