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Der Mann mit der Schlangenhaut

Mit vier fing er seine erste Ringelnatter, heute ist er Besitzer eines Reptilienparks: Der Österreicher Snake George widmet sein Leben den Schlangen Zyperns. Sogar eine, die als ausgestorben galt, hat er entdeckt – und versucht seither, sie zu retten

von CHRISTIANE GROSS

Hinter der BP-Tankstelle wimmelt es von Schlangen. Sie ringeln sich im Gras, ruhen in den Büschen um den Bach. Und mittendrin Snake George, der Hüter der Schlangen von Zypern.

Hier, an der Küstenstraße von Paphos nach Agios Georgios im griechischen Teil der Insel, empfängt er Besucher in seinem 20 Quadratmeter großen „Snake George’s Reptile Park“. Zwischen all dem Gras und Gebüsch sind die Schlangen schwierig zu entdecken. In einem Schuppen am hinteren Ende des Parks sind die Terrarien untergebracht. In einem kringeln sich 28 junge Levanti-Ottern, die stolz von sich behaupten können, zu den giftigsten Schlangen Zyperns zu gehören. Auf einer Tafel daneben verkündet Snake George seine Weltanschauung: „Viele Menschen ekeln sich vor Schlangen, weil sie glauben, die Haut wäre glitschig und nass. Ich habe noch von keinem einzigen Menschen gehört, dass er sich vor einem Fisch ekelt, obwohl der nass und glitschig ist.“

Eine Urkunde zeugt von den Verdiensten des Parkbetreibers. Oberstleutnant Helmut Brandtner, Vorgesetzter des österreichischen UN-Bataillons, dankt Snake George für die Aufklärung der Soldaten über das Verhalten gegenüber Schlangen in der freien Natur. Hans-Jörg Wiedl ist der richtige Name des Mannes, der sich Snake George nennt, verrät die Urkunde.

Mit vier Jahren fing der gebürtige Wiener seine erste Ringelnatter. Heute sieht der 58-Jährige mit seiner roten Haut aus, als würde er sich selbst bald wie seine Schlangen häuten. Nach Zypern verschlug es Wiedl zum ersten Mal 1973. Als UN-Soldat sicherte er die Grenze zwischen dem griechischen und dem von den Türken besetzten nördlichen Teil, interessierte sich aber weniger für Politik als für die unerforschte Schlangenfauna der Mittelmeerinsel.

Er wollte gern bleiben, doch wovon sollte er leben? Die Zyprioten verlangen einen Nachweis über ein regelmäßiges Einkommen für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. „Aber das Leben ist eigenartig.“ Einer seiner späteren Einsätze führte ihn in die Golan-Höhen an der Grenze von Israel und Syrien. „Dort bin ich dann auf eine Mine getreten. Meine Dienstzeit war beendet – und ich bekam eine Invalidenrente.“

Seit 1986 kann er sein Leben voll und ganz den Schlangen widmen. „Die Zyprioten haben mich zuerst für verrückt gehalten. Für die ist nur eine tote Schlange eine gute Schlange.“ Inzwischen ist der selbst ernannte Beschützer der Schlangen Zyperns auf der ganzen Insel bekannt. Er hat eine Zypriotin geheiratet, hat zwei Töchter und von den Inselbewohnern den Namen „Snake George“ verpasst bekommen. 1995 pachtete er ein Stück Land und baute seinen Reptilienpark auf.

Die Besucher haben sich im Park verteilt. Snake George folgt ihnen und erzählt mit leiser Stimme von seinen Schlangen. Nur einmal wird er laut: Als russische Touristen Steinchen nach den Schlangen werfen, um sie zu Aktionen zu reizen. „Dont’t do that!“, ruft Snake George empört. Und weil immerhin fast zehn Besucher da sind, wird die schwarze Pfeilnatter aus ihrer Lethargie gerissen und aus dem Käfig geholt. Endlich gibt es was zu sehen. „You are such a brave boy“, lobt die englische Mutter ihren fünfjährigen Sohn. Ganz alleine will er die schwarze Montpellier-Schlange dann aber doch nicht halten. Lieber in Sicherheit auf Papas Arm bleiben.

Als wir zum ersten Mal in „Snake George’s Reptile Park“ kommen, ist der Namensgeber nicht da. Er ist unterwegs in den Bergen Zyperns, Schlangen beobachten. Durch eine Entdeckung auf einer solchen Tour hat sich Snake George auch unter Wissenschaftlern einen Namen gemacht: Im Troodos-Gebirge stieß er 1992 an einem Stausee auf Exemplare der „Natrix natrix cypriaca“, einer nur auf Zypern vorkommenden Ringelnatter, die seit 1958 als ausgestorben galt.

Seitdem kämpft er darum, die Art zu erhalten. „Und dafür lege ich mich mit jedem an.“ Unter anderem mit dem Fischerei-Department der Regierung. Denn in dem Stausee werden Forellen für Sportangler gezüchtet. Und Forellen fressen junge Ringelnattern. Auch die Angler töten Schlangen in der fälschlichen Annahme, sie seien gefährlich. „Und dann kommt jemand vom Innenministerium und erzählt mir: Wir haben eine gute Nachricht für dich, George, die Ringelnatter steht nun auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Toll, sage ich, und was hat sie davon? Informationstafeln!“

Etwas hat Snake George aber erreicht: Von der Zoologischen Gesellschaft für Arten und Populationsschutz e. V. wurden ihm 2.500 Euro zum Schutz der Ringelnatter zur Verfügung gestellt.

Was, wenn die Ringelnatter ausstirbt, bevor etwas passiert? „Dann habe ich wenigstens gekämpft.“ Snake George glaubt an die Schlange. Für sie setzt er sich ein. Und für sie wartet er in seinem Schlangenpark auf Unwissende und Schlangenhasser, um sie eines Bessren zu belehren – täglich von zehn Uhr bis Sonnenuntergang.

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