: „Hier kocht echt die Bude“
Ein Anti-Klüngel-Plakat der Grünen macht Furore in Köln: Die abgebildete Prominenz fühlt sich beleidigt. Die grünen Spitzenpolitiker Müller und Beck distanzieren sich – und werden von der empörten Basis zu einer Sondersitzung einbestellt
aus Köln PASCAL BEUCKERund FRANK ÜBERALL
Die Kölner Bundestagsabgeordneten Kerstin Müller und Volker Beck haben Ärger mit ihrer Basis. Beide hatten sich von einem grünen Anti-Klüngel-Plakat distanziert. Nun hat sie die Partei für Montag zu einer Sondersitzung nach Köln zitiert. „Hier kocht echt die Bude“, warnte die grüne Kreisvorstandssprecherin Csilla Imre. Und das ausgerechnet eine Woche, bevor die Kölner ihren Bundestagswahlkampf offiziell starten wollen. „Da müssen die beiden Abgeordneten aufpassen, dass wir nicht einfach auf den Wahlkampf verzichten“, ist von einem hochrangigen Funktionär der Kölner Grünen zu hören.
Das umstrittene Plakat zeigt unter dem Titel „Wem gehört die Stadt?“ die Konterfeis von Kölns ehrenwerter Gesellschaft: Verleger Alfred Neven DuMont und Bankier Alfred Freiherr von Oppenheim, Exregierungspräsident Franz-Josef Antwerpes und Exoberstadtdirektor Lothar Ruschmeier, Schokoladenfabrikant Hans Imhoff und CDU-Fraktionschef Rolf Bietmann – und ebenso die beiden SPD-Korrumpels Klaus Heugel und Norbert Rüther. Das Plakat weise „auf die politischen und wirtschaftlichen Akteure hin, die in Köln unbestritten Macht ausüben beziehungsweise ausgeübt haben“, begründen die Domstadt-Grünen ihre Aktion. Die Abgebildeten stünden, wenn auch jeweils unterschiedlich, „in Zusammenhang mit den Großprojekten in dieser Stadt, die seit ihrer Entstehung ungeklärte Fragen und Zweifel aufwerfen“.
Die Reaktionen waren heftig. DuMont ließ seinen Verlagsgeschäftsführer Günter Kamissek schreiben, das Plakat setze „auf Verleumdung, Neidkomplexe und Vorurteile“. Oppenheim teilte mit, das Plakat sei „verachtenswert“; er fühle sich und seine Familie „perfide beleidigt“. Und CDU-Mann Bietmann bescheinigte ein Niveau, „welches für Demokraten unwürdig ist“.
„Dass es mit dem Plakat Ärger geben wird, war uns klar – dass der Ärger so groß wird, hatten wir nicht erwartet“, sagte Grünen-Sprecherin Imre der taz. Vor allem hatten sie nicht damit gerechnet, dass sich ihre eigene Spitze davon distanzieren würde. Ausgerechnet im DuMont-Blatt Kölner Stadt-Anzeiger mussten sie lesen, dass es Bundestagsfraktionschefin Kerstin Müller nicht richtig findet, „dass angesehene Kölner Persönlichkeiten neben rechtskräftig verurteilten Politikern oder solchen SPD-Vertretern abgebildet seien, gegen die staatsanwaltlich ermittelt werde“. Dies bedauere sie „ausdrücklich“ und wolle „ihr Befremden“ in einem Brief zum Ausdruck bringen – zusammen mit dem rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, Volker Beck, und dem stellvertretenden NRW-Ministerpräsidenten, Michael Vesper. „Die Distanzierung hat ein absolutes Stimmungstief im Vorwahlkampf erzeugt“, so der grüne Vizeratsfraktionschef Jörg Frank zur taz. Seine Erwartung an Müller und Beck: „Die Position, sich gegen die Kölner Grünen zu stellen, muss aufgegeben werden.“ Ihre Plakataktion wollen die Kölner Grünen jedenfalls fortsetzen.
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