: Zum Eigenleben zitiert
■ Jub Möster und Jimmi Paesler in der Städtischen Galerie
Zwei Maler gehen in Serie, jedoch auf unterschiedliche Art und Weise. Während Jub Mönster mehrere Bilder aneinander reiht, versucht Jimmi Paesler, einen Ablauf in einem Bild zu integrieren. „Die Serie ist, um es mit einem Begriff der Kunst aus dem späteren 20. Jahrhundert zu sagen, konzeptueller Natur“, lesen wir in dem Ausstellungskatalog von Jub Mönster.
Wie unterschiedlich diese Konzepte sein können, zeigen die Bilder der beiden Künstler. Paesler nimmt ein Zitat aus der Kunst, eine Figur von Keith Haring, die reduzierte Form einer Venus von Willendorf oder die Darstellung Jesu Christi auf dem Jelling-Stein und schenkt ihnen ein Eigenleben. Flächen brechen auf und befreien das Verborgene, das sich mit einer unglaublichen Dynamik den Weg zu einer eigenen Transformation bahnt. Die Kunst lernt laufen.
Keith Harings Männchen wird dreidimensional, versucht sich im Umgang mit dem Eigengewicht, die Venus erwacht aus der Skizze, quillt hier zu einer eher voluminösen Erotik und reduziert sich da zur luftigen Leichtigkeit, Jesus ornamentale Verknotung beginnt sich zu entwirren, mutiert zu eigenem Leben oder entreißt der Gottesfigur seine Existenz. Paeslers Bilder wirken laut und lebendig, sie springen aus der Form und beginnen zu leben. Der alltäglichen Bilderflut zum Trotz wählt er das Einzigartige, eine Reduzierung auf das Archaische. Seine Bilder scheinen einer Weiterentwicklung zu unterliegen. Der Auflösung der Formen folgt die Beleuchtung der Malerei von innen, wie man sie in Paeslers Leuchtkästen sieht.
Der Lautstärke in Paeslers Bildern entgegengesetzt bringen Jub Mönsters Zeichnungen und Malerei einen Aufschrei der Stille entgegen. „Rings um mich höre ich die Stille dröhnen“, heißt ein Zyklus aus neun Teilen, teilweise auf Schiefer gemalt. Voyeuristisch betrachtet man die Alltäglichkeit, die immer nur ein Ausschnitt ist. Mönster liefert detaillierte Informationen, die in der Belanglosigkeit enden. Er hinterlässt Spuren, die ebenso steril und anonym sind, wie die abgebildeten Personen.
Das Konzept der Serie nutzt Mönster sehr unterschiedlich. Hier ist es ein immer wiederkehrender Einblick, dort eine Geschichte ( „Chez le coiffeur“), ein anderes Mal ist das verbindende Element die Technik und das gleiche Thema. Zwölf Mal hat Mönster die Hinterköpfe berühmter Persönlichkeiten porträtiert. Die bekannten Gesichter verschwinden und sind fremd. Oft drängt sich der Hintergrund in den Vordergrund. Um einen Realismus scheint es Mönster dabei nicht zu gehen. Zu eindeutig sind die Spuren der Verfremdung.
Was verbindet Jimmi Paesler und Jub Mönster? „Der eine macht, was der andere nicht macht“, erklärt Paesler. Aber das ist zu banal. Die Verbindung liegt im Gegenständlichen und in der Bearbeitung der Formen, die bei beiden Malern, unterschiedlich, aber dennoch in Bewegung geraten. „Ach ja, die Kunst“ lesen wir auf einer Kugelschreiberzeichnung von Mönster, bei der ein auf Krücken gestützter Mann sich Magrittes anziehbaren Schuhe aus „Le modele rouge“ ansieht. Kann Kunst denn nur laufen, wenn sie sich auf das Alte besinnt? Silke Schumacher-Lange
noch bis zum 19. Mai in der Städtischen Galerie, Buntentorsteinweg 112. Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr: 10-16 Uhr, Do 10-20 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen