: Werben nach dem Vogel-Specht-Prinzip
■ Der Herr des Bremer Marktings hat dieses Jahr besonders viel Geld zum Ausgeben: Satte zehn Millionen Mark Am meisten zieht laut BMG-Chef Klaus Sondergeld bei den Besuchern aber ausgerechnet eins: Musicals
Drei mal so viel Geld für's Marketing hat der Senat der Bremer Marketing GmbH (BMG) in diesem Jahr zugebilligt: 10 Millionen Mark. Vier mal im Jahr soll jetzt mit Bremen-Prospekten geworben werden, zusätzlich werden Anzeigen geschaltet. Über Sinn und Touristen-Hoffnungen sprach die taz mit Klaus Sondergeld, dem Chef der BMG.
taz: Zehn Millionen Mark. Wie sollen die genutzt werden?
Klaus Sondergeld: Es gibt dafür ein Konzept, das alle Gremien akzeptiert haben. Unser Ziel ist es erstens, mehr Übernachtungsgäste zu akquirieren. Und auch, die Aufenthaltsdauer so lange wie möglich zu gestalten. Zweitens: Tagesbesucher. Drittens: die Besucherzahlen in den Einrichtungen Bremens zu erhöhen. Und, damit verbunden, qualitative Ziele wie Bekanntheit erhöhen und das Image stärken.
Wo ist denn der Schwerpunkt der Werbung, der Touristen-Rekrutierung?
Mit den Beilagen und Anzeigen-Aktionen bedienen wir den Raum von der Elbe bis ins nördliche Ruhrgebiet. In den Regionalzeitungen erreichen wir eine Auflage von insgesamt 2,7 Millionen Exemplaren. Damit erwischen wir die Hauptquellen des Bremer Städtetourismus.
Drei mal zuschlagen, um wenigstens ein mal zu treffen
Und wie sind die Reaktionen auf die Kampagne?
Wir haben in allen Veranstaltungen, die wir verstärkt beworben haben, Besucherbefragungen durchgeführt. Die allerersten Daten sind jetzt da. Bei der Frage, wie die Leute auf das Angebot gekommen sind, liegen die Anzeigen an der Spitze der Nennungen. Das mag auch an der Wiederholung liegen. Es gibt da so einen Glaubenssatz der Mediaplanung: Drei mal zuschlagen, um ein mal zu treffen.
Und das funktioniert?
Immerhin haben wir durch unsere umgestaltete Beilage 65 Prozent unmittelbar nach Erscheinen mehr Buchungen als noch vor einem Jahr.
Was wurde denn anders gemacht?
Das war zunächst ein reines Veranstaltungsmagazin, ohne Pauschalangebote, ohne Preise. Und jetzt stehen dicke rote Zahlen drin. Und man glaubt es kaum: Wenn man oben drüber schreibt „Jetzt Bremen buchen“ und die Telefonnummer groß daneben – dann wird das angenommen.
Wie viel Touristen kriegen sie denn für zehn Millionen Mark? Kann man das ausrechnen?
Prognosen solcher Art sind schwierig. Über unsere erste Kulturkampagne wird derzeit eine Diplomarbeit geschrieben. Wir wollen unser Konzept so optimieren, dass wir so wirksam und so kostengünstig wie möglich werben. Umso mehr Aktionen können wir schließlich machen.
Mit welchem Pfund kann Bremen denn besonders wuchern?
Am meisten offenbar mit Musicals. Es gibt eine Auszählung der Anrufe nach Erscheinen der Beilage im Call-Center der BTZ: 360 Anrufe bezogen sich auf „Cabaret“, 340 bezogen sich auf „Hair“ und dann kommt lange nichts.
Aber „Cabaret“ ist auch prominent auf dem Broschüren-Titel plaziert. Da ist die Resonanz doch vorprogrammiert.
Nein. Wenn Sie etwas auf den Titel bringen, was die Leute nicht interessiert, dann rufen sie auch nicht an.
Wer wählt aus, was auf den Titel kommt?
Es gibt ein Redaktionsteam aus Bremer Tourismus Zentrale, Hanseatischer Veranstaltungs-GmbH und Bremer Marketing Gesellschaft. Die Auswahl fußt erstmal auf dem Veranstaltungskalender.
Trotz der hohen Nachfrage im Call-Center hatte „Hair“ nicht genug Gäste von außerhalb – und stürzte ab.
Weil nicht genug Werbung gemacht wurde. Wenn man den Leuten nicht permanent mitteilt, dass man ein Angebot hat, darf man sich nicht wundern, wenn die sich nicht für das Angebot interessieren.
Schon beim Vorläufer „Jekyll & Hyde“ gab es Kampagnen, die keine Wirkung hatten.
Möglicherweise war das dann nicht die richtige Kampagne? Aber das ist doch die ewig gleiche unnütze Debatte: Was wäre, hätte, würde...
Wie kommt der Dortmunder nach Bremen?
Nach welchen Kriterien wählen Sie denn aus, was in der Beilage beworben wird?
Da kommt praktisch alles hinein, was im folgenden Zeitraum einigermaßen interessant ist. Seit Dezember haben wir auch einen Kulturbeirat, der uns kritisch begleitet. Der sagt, ob wir die Angebote richtig gewichtet haben. Oder welche Veranstaltungen sich zu Paketen bündeln lassen. Damit die Leute aus drei, vier Angebote wählen können und vielleicht länger in Bremen bleiben.
Welche Veranstaltungen spielen da eine Rolle: zuschauerträchtige oder solche, die für das Image der Stadt gut sind?
Also, dieser Zehn-Millionen-Topf ist überwiegend touristisch definiert. Das heißt, dass touristische Schwerpunkte beworben werden sollen. Wir wollen möglichst viele Leute hierher ziehen. Also muss die Richtschnur bei unseren Überlegungen die Frage sein, wie wir einen Dortmunder bewegen können, nach Bremen zu fahren. Und: Was ist in dem Zeitraum hier los? Kann ich ein Konzert mit Kunst in der Weserburg kombinieren? Macht das Sinn oder stricke ich das Paket lieber anders?
Nur Best-Ager ab 45 Jahren zieht es an die Weser
Sie schalten aber auch lokale Anzeigen. Nutzen auch die Bremer ihr eigenes Kulturangebot zu wenig?
Aus den Besucherbefragungen wissen wir, dass Empfehlungen von Bekannten und Freunden aus Bremen ganz wichtig sind. Aber man darf Binnen- und Buten-Marketing nicht getrennt sehen.
Aber gerade beim dort beworbenen St.-Jacobus-Packhaus mangelte es doch auch an Zulauf.
Deswegen sind wir da ja eingesprungen. Die Stiftung hatte noch nicht genug Mittel, um Werbung zu machen. Da stand also eine sehr vorzeigbare Attraktion im Schnoor und die Leute wussten es nicht. Und da haben wir gesagt, wir versuchen das mal bekannter zu machen.
Wie sieht der Durchschnitts-Tourist in Bremen eigentlich aus?
Das ist der so genannte Best-Ager, also ab Mitte 40 Jahren, der die Kinder in der Regel groß hat und jetzt wieder flügge wird, und sich zusätzlich zum Sommerurlaub noch einen Städteurlaub gönnt. Da unterscheidet sich der Bremen-Tourist aber nicht vom Städte-Touristen allgemein.
Wie reagieren Sie denn auf das Marketing anderer Städte?
Indem ich hinfahre.
Aufgrund von Anzeigen?
Nee, eigentlich kaum so spontan, weil wir noch nicht wieder flügge sind. Wegen der Berichterstattung über die Kulturhauptstadt Brügge steht das jetzt recht oben auf unserer Liste.
Das BMG-Logo „Bremen neu erleben“ wird auf jede Veranstaltung und jede Zeitungsanzeige gedruckt, die öffentliches Geld bekommt.
Ja, so sollte es sein. Mein Aufsichtsratsvorsitzender Josef Hattig, sagt immer, Werbung funktioniert nach dem Vogel-Specht-Prinzip. Der klopft immer auf dieselbe Stelle, bis das Loch im Baum ist. Also werben wir, bis das Bremen-Logo im Hirn der Leute ist. Auch wenn das manche Kultureinrichtungen stört.
Ungern würde er für Porno-Messen werben
Weil da relativ viel Boulevard-Kultur dabei ist?
Wir sind ja nicht in erster Linie eine Hochkulturförder-, sondern eine Besuchsförder-Institution. Entscheidend ist, dass wir mehr Zulauf nach Bremen organisieren, und zwar mit allem, was die Menschen anzieht.
Mit allem?
Naja, ich würde ungern für eine Porno-Messe mit „Bremen neu erleben“ werben. Und auch bei der aktuellen Ausstellung „Last Minute“ – eine Ausstellung über Sterben und Tod – haben wir das Logo „Bremen neu erleben“ auf Bitten des Focke-Museums besser weggelassen.
Fragen: Henning Bleyl, Dorothee Krumpipe
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