saisonbilanz: Hertha auf der Flucht
Diese Saison war die Fortsetzung einer Flucht. Hertha BSC flieht vor sich selbst. Durchtränkt von öliger Provinzialität, begibt sich der Fußballverein aus Charlottenburg, benannt nach einem Ausflugsdampfer, von den Ufern des Tegeler Fließes aus in die große Fußballwelt – und kommt (noch) nicht an. Platz vier zum Abschluss der Bundesliga erlaubt in der kommenden Spielzeit ein paar Reisen ins europäische Ausland. Auf in die Champions League machen sich Dortmund und Leverkusen und womöglich auch Bayern München. Hertha BSC nicht.
Das Magazin der Süddeutschen Zeitung zeigt Westberlin in seiner letzten Ausgabe als ulkigen Stadtteil, dessen Zeit gekommen ist. In Schrebergärten und Wohnhaushälften überlebten allenfalls noch somnambule Leere und triefende Wurstigkeit. Auf dem Cover des Magazins posieren Fußballer von Herthas Namensvetter aus Zehlendorf, drei Fußballfreunde, die wie lebendige Gartenzwerge aussehen.
Hertha stemmt sich tapfer gegen den Trend, zieht seine Angestellten teuer an und verordnet auch dem neuen Trainer, Huub Stevens, statt Ballonseide einen Maßanzug. Nicht dass die Angst der Mittelständler vor dem Prestigeverlust umginge, vielmehr ist die Erinnerung an Zeiten wach, als der Schlips noch nicht so gut saß.
Ein Muster an Vorwärtsdrang war Übergangstrainer Falko Götz. Mit einem Diplom in Trivialpsychologie und tadelloser Föhnwelle löste er Jürgen Röber ab. Die Mannschaft schenkte Götz viele Punkte und der Boulevard jubelte („Der Ergötzliche“). Man delektierte sich am bedeutungsschwangeren Gehabe des Interims. Das ist ein in der Provinz beliebtes Spiel. Dazu wird Huub Stevens nicht viel beitragen können. Auch wenn er sich dem Anzugszwang unterwerfen sollte, mit Stevens kommt ein Mann, der von der großen Fußballwelt berichten kann. Vielleicht passiert unweit des Tegeler Fließes bald Großes. Hertha BSC könnte dann die Flucht vor sich selbst für beendet erklären.
MARKUS VÖLKER
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