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Acht Betten für ein Ende mit Respekt

■ Erste Palliativstation in Bremen eröffnet: Todkranke sollen in Würde sterben können

Seit gestern hat auch Bremen eine Palliativstation. In dieser Station, nach sieben Jahren Planung und Bauzeit im Zentralkrankenhaus (ZKH) Links der Weser eröffnet, werden PatientInnen aufgenommen, die unter einer schweren Krankheit leiden und nicht mehr zu heilen sind. „Palliativ“ kommt aus dem Lateinischen und heißt „schmerzlindernd“. Vor allem für Krebs-, AIDS-, aber auch für Mukoviszidose-PatientInnen ist Platz im ZKH, am kommenden Freitag werden die ersten vier erwartet. Insgesamt gibt es auf der Station acht Betten.

Schmerz zu lindern meint mehr als die rein medizinische Versorgung. Das kann heißen, einer Patientin eine kleine Pumpe unter die Bauchdecke zu implantieren, die in regelmäßigen Abständen Schmerzmittel in den Körper abgibt. Das kann aber auch bedeuten, dass ein AIDS-Patient durch Musiktherapie entspannter wird und seinem mutmaßlichen Ende gefasster entgegensehen kann.

Pflege heißt hier nicht „nur“ waschen, das Essen bringen oder den Blutdruck messen. Die elf PflegerInnen in dieser Krankenhaus-Abteilung haben Wissen aus der Gesprächstherapie. Zu ihren Pflege-Aufgaben gehört es, „den PatientInnen mit einer besonderen Zugewandtheit zu begegnen“, sagt Hans-Joachim Willenbrink, einer der drei ÄrztInnen auf dieser Station. Aber: „Wir Ärzte spielen hier nur eine kleine Rolle.“

„Schmerzlindernd“ kann auch der Lieblingssessel von zu Hause wirken, für den in den mit Holz und gelb-grünen Vorhängen eingerichteten Zimmern Platz ist. Bei schönem Wetter lassen sich die Betten auch in die Sonne schieben: Alle Zimmer haben breite Schiebefens-ter nach draußen und eine kleine Terrasse. Anders als sonst in Krankenhäusern üblich, dürfen die PatientInnen auch in einem Aufenthaltsraum rauchen oder ein Glas Sekt schlürfen. Genüsse nimmt das Krankenhaus seinen PatientInnen nicht mehr. „Wir geben hier natürlich keinen Alkohol aus, aber wenn Angehörige die Lieblingsmarke mitbringen, verbieten wir das nicht“, sagt Petra Daum, Leiterin der Pflege.

Überhaupt – die Angehörigen: Wenn sie über Nacht in der Nähe ihrer Lieben bleiben wollen, können sie in einem eigenen Zimmer schlafen. Oder das Bett zu den PatientInnen ins Zimmer rollen. Sie bekommen auch Rat, wie sie ihrem Kranken zu Hause am besten helfen können. Wenn sie traurig oder erschöpft sind, werden sie auf der Palliativ-Station psychosozial betreut.

Eine Palliativstation ist keine „Sterbe-Station“. „Mit der Aufnahme bei uns bereiten wir gleichzeitig die Entlassung der PatientInnen vor“, erklärt Petra Daum. Das sei für die Psyche der Menschen sehr wichtig. „Die wollen auf jeden Fall zu Hause sterben“, sagt Daum. Es kann allerdings auch geschehen, dass Hans-Joachim Willenbrink Kranke, die auf das Ende ihres Lebens zugehen, ins Hospiz „Brücke“ nach Walle überweist. Er betreut die Gäste dort medizinisch.

Voraussichtlich etwa ein Drittel der PatientInnen wird dennoch auf der Palliativstation sterben. Dann zünden die PflegerInnen eine Kerze auf dem Flur an, die so lange brennt, wie der verstorbene Mensch im Haus ist. Auch ein Buch liegt bereit, in dem jedem Toten eine Seite gewidmet sein wird. Ulrike Bendrat

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