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Der bullige Provinzler

Der neue Premier Jean-Pierre Raffarin kommt aus dem Südwesten

Jean-Pierre Raffarin (53) war in seiner Jugend Athlet. Dafür hat er, so ein früherer Kamerad, „die richtige Morphologie“. Seit gestern lastet mehr als eine sportliche Herausforderung auf den bulligen Schultern des Provinzpolitikers aus Poitou-Charentes: Als Chef einer Übergangsregierung soll er nicht nur die Staatsautorität wiederherstellen und für Ordnung und Sicherheit sorgen, sondern auch die Konservativen zu einem Sieg bei den Parlamentswahlen führen. Raffarin, Mitglied der rechtsliberalen DL, hat dazu einen Monat Zeit.

Den Ausschlag für Raffarin gaben Ereignisse der jüngsten Vergangenheit. Das erste ist die Unterstützung des Rechtsliberalen für Chirac im Wahlkampf. Raffarin gab ihm nicht nur ein Programm, sondern auch den griffigen Slogan: „La France d'en bas“ – Frankreich von unten. Das zweite Ereignis ist die Unterstützung Raffarins für die Neugründung einer rechten Sammlungsbewegung. Offiziell wurde die UMP – Union für eine präsidentielle Mehrheit – am Tag nach dem ersten Wahlgang gegründet. Vorbereitet wurde sie bereits seit Monaten. Ihr erklärtes Ziel ist es, die zerstrittenen Strömungen der Rechten hinter Chirac zu vereinigen und bei den Parlamentswahlen zu siegen. Im Lager der Rechtsliberalen ist die UMP umstritten. Neben Befürwortern wie Raffarin gibt es erklärte Gegner einer „Einheitspartei“, die alle politischen Differenzen unterdrückt. Das dritte Argument für Raffarin als Premierminister einer rechten Regierung lieferte die Linke. Chirac, der am Sonntag die Stimmzettel von Millionen politischer Gegner erhielt, musste ihren Erwartungen mit einer versöhnenden Geste entgegenkommen. Ein beinhart rechter Regierungschef aus seiner eigenen Partei wäre eine Provokation gewesen. Raffarin, der die „Politik der Nachbarschaft“ und der „Dezentralisierung“ propagiert, erschien als geeigneter Kompromisskandidat. Am 9. und 16. Juni wird sich zeigen, ob die Rechnung für das rechtsbürgerliche Lager aufgegangen ist.

DORA

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