Vor Erschöpfung kotzen

Mclusky, die Rockband der Stunde, erzählen lärmend vom Zorn ihrer Generation

So sicher, wie jeden 1. Mai in Kreuzberg Autos brennen, so sicher erfindet jede Generation ihren ganz persönlichen Punkrock neu. Junge Männer, Wut, elektrische Gitarren, Rückkopplungen, hämmerndes Schlagzeug: Die ganze Chose, und das ist nun das wirklich Seltsame, funktioniert doch immer wieder aufs Neue. Aktuelles Beweisstück: Mclusky aus dem walisischen Cardiff.

Auf ihrem ersten langen Album „Mclusky Do Dallas“ wird die klassische Rockbesetzung von drei Mittzwanzigern mal wieder bis ins Letzte ausgereizt. Entstanden ist ein kleines Meisterwerk aus explosiven Gitarrenriffs, fiesem Gequietsche, bedrohlich schwelenden Bassläufen, Boller-Schlagzeug und effektvoll eingesetztem Berserker-Gesang. Kaum ein Song dauert länger als 2 Minuten, produziert hat Steve Albini, die in diesem Genre scheinbar unvermeidliche Lärmlegende. Die Folge: Die einschlägige Fachpresse übertrifft sich mit Lobeshymnen.

Die Wahrheit allerdings liegt bei solcher Musik eher noch auf der Bühne: In den Anekdoten, die sich bereits um das Trio ranken, wird von Auftritten berichtet, nach denen sich die Band vor Erschöpfung übergeben musste. Was die Herangehensweise angeht, sind sie also ganz eindeutig Punk. Für den Bandnamen stand die Schuldirektorin aus einer alten britischen Fernsehserie Patin. Textlich spart man nicht mit groben Ausdrücken. Immerhin werden die Schimpftiraden durch mal kryptische, mal hellsichtige, stets aber schwer zynische Betrachtungen von Welt- und Geschlechterlage ergänzt . Mitunter geht es sogar halbwegs einfühlsam ums Beziehungsgeflecht – jedenfalls so lange, bis die Worte degradiert werden zur bloßen Lautmalerei und die nächste schlechte Laune ihren Ausdruck in einer Gitarrenbreitseite sucht. Musikalisch allerdings sind Mclusky mindestens drei Generationen entfernt vom traditionellen, geradeaus stürmenden Punkrock-Brett. Mit ihren verzögerten, abgehackten, trotzdem meist recht funky Rhythmen erinnern Mclusky an Fugazi, in den komplexen Aufbauten ihrer Lärmausbrüche an At-The-Drive-In, vor allem aber immer wieder an die Pixies, die sie selbst als größte Vorbilder angeben, und deren Schwebezustand zwischen Ruhe und Kreischen, zwischen Stille und Noise. „Ein bisschen kranke Musik“ nennt das Sänger und Gitarrist Andy Falkous.

Der Moment aber, in dem sich Mclusky ganz bei sich sind, ist der, in dem die Band einen Augenblick Luft holt, bevor es richtig losgeht oder auch wahlweise alles zusammenbricht. Jener Augenblick, in dem eine großartige Melodie umzuschlagen droht in hundsföttischen Lärm, in dem ein gemütlicher [4]/4-Takt zu einem gemeinen Stakkato wird, jener Bruchteil einer Sekunde also, in aus der Aggression die Aktion erwächst. Die Meisterschaft von Mclusky besteht darin, diesen Augenblick der Unentschiedenheit und Schwerelosigkeit immer wieder heraufbeschwören zu können und ihn mitunter, wie in „Fuck This Band“, gar auf Songlänge auszudehnen. Bedrohung als latente Stimmung, Zorn als Grundverfassung: Mclusky füllen den Angstschweiß ihrer Generation in kompakte, kleine Rockopern. THOMAS WINKLER

Mit Heyday und Union Youth am 8. 5. um 20 Uhr im Magnet, Greifswalder Str. 212–213, Prenzlauer Berg