piwik no script img

Kein Geld für Kinder

Die spanische Stadt Melilla will sich nicht mehr um illegale Minderjährige kümmern. Kritik von Human Rights Watch

MADRID taz ■ Die Regionalregierung der spanischen Garnisonsstadt Melilla streikt. Das Sozialsystem der Stadt sei „völlig überfordert“, beklagt sich der Präsident der spanischen Enklave an der marokkanischen Mittelmeerküste, Juan José Imbroda. Seine Verwaltung könne sich deshalb fortan nicht mehr um Minderjährige kümmern, die ohne Papiere und ohne Eltern illegal aus Marokko einreisen. In Melilla leben derzeit in fünf Wohnheimen rund 180 marokkanische Jugendliche, für die die spanische Verwaltung per Gesetz verpflichtet ist zu sorgen.

Die Zahl der Jugendlichen, die der Armut Marokkos entfliehen, steigt ständig. Allein in Melilla wurden bereits in diesem Jahr 273 Kinder aufgegriffen. Im Vorjahreszeitraum waren es 153 – eine Zuwachsrate von 78 Prozent. Melilla stellt jährlich 1,5 Millionen Euro für deren Versorgung zur Verfügung. Mehr habe er einfach nicht, erklärt Imbroda: „Es ist nicht mehr möglich, all diesen Kindern Schutz, Unterkunft und Erziehung zu bieten.“

Die Entscheidung, die die Regierung von Melilla auch gefällt hat, um die Zentralregierung in Madrid unter Druck zu setzen, könnte schon bald Auswirkungen für die Betroffenen haben. Das spanische Gesetz sieht für alle Kinder, egal ob Spanier oder illegal Eingewanderte, die gleichen Rechte und damit für die staatlichen Stellen die gleichen Pflichten vor. Konkret heißt das: Wird ein alleine eingereistes Kind oder Jugendlicher in Melilla aufgegriffen, ist die Polizei verpflichtet, den Betroffenen in ein Heim zu bringen. Steht kein Platz zur Verfügung, bleibt nur die Ausweisung nach Marokko.

Die Entscheidung, sich nicht mehr um die illegalen Einwandererkinder in Melilla zu kümmern, ist ausgerechnet zu dem Zeitpunkt gefallen, als die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) einen Bericht über die Lage der marokkanischen Minderjährigen in Melilla vorlegte. Darin wird deren Behandlung scharf kritisiert.

REINER WANDLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen