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Das Ende der Ära Neuhold

■ Umstrittener war kaum ein Generalmusikdirektor: musikalisch überzeugend, aber menschlich verspannt

Mit den rauschenden Klängen von Johannes Brahms' zweiter Sinfonie in D-Dur ging am Dienstagabend in der Glocke eine Ära zu Ende. Eine Ära, die keine war. Und beides stimmt: Es war das letzte Konzert von Günter Neuhold, der 1995 als Generalmusikdirektor das buchstäblich verwahrloste Philharmonische Staatsorchester übernommen hatte. Es in kürzester Zeit in eine völlig andere Klasse katapultierte, aber auch ganz schnell Spannungen zum Orchester aufbaute.

Es wird sich so ziemlich die Waage gehalten haben, dass einige keine Lust hatten, irgendetwas in Richtung Qualität zu verändern und dass Günter Neuhold nicht besonders fähig war, das Orchester in seinem Sinne zu motivieren. Die Leistungssteigerung allerdings blieb nicht aus. Zusätzlich hatte das Orchester einen politischen Kampf um die angemessene Anzahl der Stellen zu kämpfen, die einem A-Orchester zustehen. Gegenüber der Ignoranz und dem Desinteresse der Behörde vermisste man den Einsatz des Chefs.

Wir können und wollen hier nicht den Richter spielen – die Wahrheit liegt sicher irgendwo in der Mitte. Zum Eklat kam es 1997, als sich immerhin 87 Prozent des Orchesters öffentlich gegen die Vertragsverlängerung von Neuhold aussprachen, die Behörde sich aber auf den Standpunkt stellte, dass das Votum des Orchesters sie nicht interessiere.

Es bleibt ein Phänomen, dass trotzdem das musikalische Ergebnis stets überzeugend war: Neuhold hat eine selten so perfekte Mischung aus analytischem und urmusikalischem Verstand eingebracht. Er sorgte zunehmend für mitreißende Aufführungen. Zudem wurde ein Repertoire erarbeitet, in dem mit der ersten, zweiten, sechsten und zehnten Sinfonie von Mahler sowie Brahms und Bruckner ein Schwerpunkt in der Spätromantik gesetzt wurde. Immer wieder wurde versucht, zeitgenössische Musik einzusetzen und ein ausgefallenere Kompositionen vorzustellen. Und in der Oper kann man ganz klar sagen, dass Stücke wie Schönbergs „Moses und Aaron“ und später Nonos „Intolleranza“ ohne Günter Neuhold nicht denkbar gewesen wären – auch wenn er letzteres nicht selbst dirigiert hatte.

Aus den Reihen des Orchesters kam dagegen die Kritik, Neuhold gäbe keine Einsätze, man könne seine Körpersprache nicht abnehmen. Neuhold bewegt sich dermaßen deutlich und identisch mit der gespielten Musik, dass es schon stur und böswillig ist, da auf einen sogenannten Einsatz zu warten. „Reißt euch zusammen“, hatte Eckard Heinz vom Kulturzentrum München-Gasteig eindringlich in seinem Gutachten über die Musikstadt Bremen gesagt. Es hat wohl einfach nicht sollen sein.

Nun also ein herrliches Programm wie so viele von Günter Neuhold: „Verklärte Nacht“ von Arnold Schönberg, der sein eigenes angefochtenes Komponieren mit dem 1933 erschienenen Aufsatz „Brahms, Progressive“ legitimierte, und dessen 1877 entstandene zweite Sinfonie. Die Ausgewogenheit von Struktur und Klangbild, die Zielgerichtetheit der musikalischen Dramaturgie, das macht Neuhold so schnell niemand nach. Die Ovationen im Publikum konnten die versteinerten Gesichter der meisten Orchestermitglieder nicht auflösen. Es gab auch keine öffentliche Verabschiedung, nur einen popeligen Blumenstrauß von der Glocke.

Eine Ära? Natürlich war's eine. Und vielleicht wird eines Tages das Orchester sagen, das war ja doch nicht so schlecht, und Günter Neuhold, dass dieses Orchester auch ihm so einige Sternstunden beschert hat. Vielleicht. Jetzt wird der junge Niederländer Lawrence Renes das Orchester übernehmen, worauf man entsprechend gespannt sein darf. Ute Schalz-Laurenze

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