: berliner szenen Aufstehen war nie
Jetzt hilft er Punks
B. und ich zogen vor zwölf Jahren zeitgleich nach Berlin. Er war der neue Freund meiner besten Freundin. Sympathisch war er mir schon, bevor wir uns trafen. Das lag an seinem Vater, der im Fernsehen rumgejammert hatte, wie schwer es sei, einen blauhaarigen Punk zum Sohn zu haben. Weil seine Ratte mal durch die Wohnung gelaufen war.
Gearbeitet hat B. in den ersten Jahren in Berlin nie, aufgestanden ist er selten vor 16 Uhr. Beschäftigt war er trotzdem, z. B. mit Statistiken über die Punktvergabe beim Grand Prix. Die sollten historisch bedingte Feindseligkeiten belegen.
Irgendwann verloren sich unsere Wege. Ab und zu kreuzen sie sich zufällig. Letztens sogar im Internet: B. ist Funktionsträger bei der Anarchistischen Pogo Partei Deutschlands, lernte ich bei einer Recherche über Kleinstparteien. Meistens aber treffen wir uns beim Musikkaufen oder auf dem 1. Mai.
Man erkennt B. von weitem, weil er unverändert aussieht. Neulich erzählte er leicht amüsiert von seinem neuen Job. Zu dem hatte ihn das Sozialamt gezwungen, indem sie ihm sein Geld gestrichen hatten. Trotzdem arbeitet er jetzt indirekt für sie und kümmert sich um junge Punks mit psychischen Problemen. Durch Ämtergänge, aber auch auf Konzerten. Damit sie dort nicht abstürzen. Ein paar von ihnen lernte ich kurz darauf bei „TV Smith“ in einem Keller in Prenzlauer Berg kennen. Obwohl B. vorher Borderlinesyndrome und Ähnliches angekündigt hatte, schienen alle guter Dinge zu sein. Voller Frühlingsgefühle und lauter Fröhlichkeit. Es wurde ein ziemlich ausgelassener Abend. Irgendwann fiel einer der Jungs um, weil er sehr betrunken war. Da musste B. ihn ins Freie tragen und noch richtig arbeiten.
STEPHANIE GRIMM
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