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Katholikin Kunterbunt

„Jesus hat ja auch keinen Polen zum Apostel ernannt.“

von MICHAEL KASPEROWITSCH

An der Küchendecke öffnet sich ein barocker Himmel. Blasse Wolken türmen sich übereinander. Eine fröhlich musizierende Engelschar schaut im Rund andächtig auf das liebenswürdige Chaos herab. Auf dem Herd köchelt gerade der Reis, der Tisch ist mit Papieren überladen, dichte Spinnweben schmücken die Fensterlaibungen. Ein sprechender Papagei lässt aus seinem Käfig im Eck in regelmäßigen Abständen ein kehliges „Hallo“ hören. Das ist also der Ort, an dem seit Monaten das kirchenhistorische Weltereignis minutiös vorbereitet wird.

Bewohnt wird diese oberbayerische Villa Kunterbunt in Farchach am Starnberger See von Gisela Forster. Die 56-Jährige hat sich bisher schon die Welt nach Kräften immer so gemacht, wie sie ihr gefällt. „Das Deckengemälde ist noch nicht ganz fertig, wie manches in meinem Leben, weil ich immer viel gleichzeitig anpacke“, sagt sie. Jetzt steht sie kurz vor Abschluss ihres jüngsten Vorhabens. Sie ist eine der zehn Frauen, die sich Ende Juni gegen das Verbot Roms zu den weltweit ersten Priesterinnen der römisch-katholischen Kirche weihen lassen wollen.

Gisela Forsters Mitwirkung an dem anstößigen Unternehmen ergibt sich fast zwangsläufig aus ihrer Biografie. Sie macht daraus kein Geheimnis. Nach einer frühen, wenig dauerhaften „Disko-Ehe“, wie sie die Verbindung, aus der ein Sohn hervorging, selbst nennt, verliebte sie sich als Kunsterzieherin am katholischen Gymnasium Schäftlarn in den Schulleiter: einen Benediktinermönch. Das Paar bekam zwei heute erwachsene Kinder.

17 Jahre erfuhr niemand etwas von der Beziehung zwischen der Lehrerin und dem Pater. Vor 13 Jahren bekannten sie sich öffentlich dazu und heirateten standesamtlich. Die Kirche entließ beide fristlos, der abtrünnige Mönch leitet heute eine Privatschule.

Auch seine Frau stürzte nach der Entlassung nicht in ein schwarzes Loch der Sinnleere; finanziell unabhängig ist sie als Besitzerin mehrerer geerbter Häuser ohnehin. Sie hat inzwischen jeweils mit Bestnoten in Philosophie promoviert, ein Architekturstudium abgeschlossen, hat sich zur Altenpflegerin ausbilden lassen, arbeitet als Künstlerin und ist in der Kommunalpolitik tätig. Ihr Wochenplan sieht so aus: Montag und Dienstag gehören der gesellschaftspolitischen Arbeit, Mittwoch bis Freitag befasst sie sich mit Kunst und Architektur, am Wochenende arbeitet sie als Pflegerin zum Teil mit sterbenden Menschen.

Ihr Haus in Farchach hat Gisela Forster zu einer Art chaotischem Gesamtkunstwerk gemacht. Fertig scheint es nie zu sein. Treppen führen in ungeahnte Räume, hinter den vielen Türen öffnen sich kuriose Welten, eine Mischung aus Atelier, Spielweise und Versuchslabor für Lebensentwürfe. Musikinstrumente und Tonplastiken liegen verstreut im Raum, Urlaubsfotos der nach kirchlichem Amtsverständnis ganz und gar unheiligen Familie hängen neben einem offiziellen Gruppenbild des Vaters im Kreise seiner strengen Mitbrüder aus dem Kloster. Das alles passt so wenig zur kühlen Ordnung der kirchlichen Hierarchie wie der Garten Eden zu einer Flurbereinigungsbehörde.

„Brüche im Lebenslauf sind uns ja nicht fremd“, sagt Winfried Röhmel, Sprecher des Erzbistums München-Freising, „aber mit diesem Hintergrund würde die Dame nicht einmal als Mann Priester werden können. Selbst das wäre schon völlig absurd.“ Röhmel nennt Giselas Forster einen „komischen Paradiesvogel“: „Eine im höchsten Maße obskure Aktion, die mit unserer Ordnung und Lehre nicht das Geringste zu tun hat. Das geschieht alles außerhalb der Kirche und ist für uns deshalb insgesamt ohne Bedeutung.“

Kirchenrechtlich ist der Fall klar. „Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann“, besagt Canon 1024 des Codex Iuris Canonici. Die Bestimmung wurzelt in einem Vorurteil, das seit Beginn des Christentums gepflegt wird. Jesus selbst habe schließlich nur Männer für seine Gruppe, die zwölf Apostel, ausgewählt. Der Bistumssprecher Röhmel hält es deshalb für völlig ausgeschlossen, dass sich an dieser „Geheimniskrämerei der Frauengruppe“ papsttreue Bischöfe beteiligen: „Das ist garantiert nicht der Fall.“

Gisela Forster versichert jedoch, dass sie von zwei römisch-katholischen Oberhirten „mit einer astreinen Sukzession“ geweiht wird. Sie stünden vollkommen in der vorgeschriebenen apostolischen Amtsnachfolge. Das Weihesakrament könnten sie demnach gültig weitergeben. Die Namen der beiden Bischöfe sowie der Ort der geplanten Feier bleiben streng unter Verschluss. Die risikobereiten offiziellen Würdenträger, sagt Gisela Forster, hätten Angst vor einer Entführung durch Romhörige in letzter Minute.

Das Kirchenrecht hält sie für das geringste Hindernis. Das römische Gesetz sei gegenüber den Glaubenswahrheiten über die Gleichheit von Mann und Frau so unbedeutend wie die Straßenverkehrsordnung im Vergleich zum Grundgesetz. „Dieses Kirchengesetz könnte der Papst auch mit einem Federstrich aus der Welt schaffen.“ Danach sieht es aber gar nicht aus. Seine Heiligkeit hat das Männerprivileg erst vor sieben Jahren als „unwiderruflich“ und „unveränderlich“ zementiert.

„Die würde nicht mal als Mann Priester werden können.“

Den Verweis auf Jesus entkräftet die Kandidatin. „Jesus hat auch nur Juden zu Aposteln ernannt, und ein Pole war sicher auch nicht dabei“, sagt sie mit Blick auf die polnische Herkunft von Papst Johannes Paul II. Außerdem erklärte der Apostel Paulus den Galatern, wer auf Christus getauft sei, dürfe nicht mehr unterschieden werden in „Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Mann und Frau“.

Es ist keineswegs so, dass die Katholikin an den Ketten der Männer-Kirche aus Lust am Ungehorsam zerrt, dass sie den Widerstand gegen die Hierarchie als Lebenselixier braucht. Ein Wechsel zu den Protestanten oder den Altkatholiken, die Frauen längst geistliche Ämter übertragen, würde ihr viel Ärger ersparen. „Ich liebe aber vieles an dieser Kirche und wusste sehr bald, dass ich zur Priesterin berufen bin“, sagt die Oberbayerin. Osternächte, Hochämter, Weihnachtsmetten kann sie sich nur römisch-katholisch vorstellen. „Da habe ich viel Freudvolles erlebt.“

Bei aller Standfestigkeit plagen Gisela Forster auch Zweifel: „Ich frage mich immer wieder: Warum muss gerade ich Priesterin werden?“ Keinesfalls will sie der Lust der Macht erliegen. „Die meisten Kleriker fühlen sich über die anderen Menschen erhoben. Dazu möchte ich nicht gehören“, betont sie. Schon bisher hat sie sich gegen jeden Anflug von Überheblichkeit gezielt mit Bescheidenheit gewappnet. Sie wollte natürlich auf die Uni, gleichzeitig aber immer wieder „dummer Student“ sein. Auf diese Weise kamen drei Hochschulstudien zusammen. Sie ist sozusagen mehrfache Akademikerin, will aber auch „einen Beruf ganz unten“ ausüben und pflegt deshalb Alzheimerpatienten.

Jetzt also auch noch Priesterin. Eine weitere Kirchenspaltung wollen die Frauen auf keinen Fall provozieren. „Wir gehen jetzt drei Schritte voran; wenn die Amtskirche aber glaubt, Sanktionen gegen uns ergreifen zu müssen, gehen wir vielleicht auch wieder zwei zurück, wir schlagen dann nicht wild um uns, dann warten wir halt noch 30 Jahre“, sagt Gisela Forster. An der Weihe hält sie fest. Der grobe Regelverstoß ist aus ihrer Sicht am Ende auch zum Besten der Kirche.

Trotz Vernunft und gebotener Rücksicht auf die Traditionen der Kirche: Einen traumwandlerisch sicheren Sinn für die Methodik einer Provokationen hat Gisela Forster. Der Weihefeier Ende Juni wird ein Notar beiwohnen. Er soll amtlich beglaubigen, dass sie und die anderen Frauen nach dem vorgeschriebenen Ritus der römisch-katholischen Kirche zu Priesterinnen geweiht sind. Danach soll das für Gisela Forster zuständige Ordinariat in Augsburg eine Mitteilung bekommen, dass sie jetzt für den Priesterdienst in der römisch-katholischen Kirche bereit ist und auf einen Einsatz wartet.

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