: Schnelle Beine, großes Ego
Der italienische Radsprint-Star Mario Cipollini hat bei Acqua e Sapone eine Mannschaft um sich geschart, die nur ein einziges Ziel kennt: ihren Boss zum Sieg zu fahren. Beim Giro d’Italia hat das bisher schon ganz gut geklappt
KÖLN taz ■ Über seine Garderobe spricht Mario Cipollini nicht so gerne, er ist da wie ein Künstler, der sein Werk ja auch nicht kommentieren mag. Beim Prolog des Giro d’Italia in Groningen gab der Toskaner mit einem auf den Leib geschneiderten Leopardenanzug einmal mehr ein deutliches Fashion-Statement ab, reden wollte er darüber nicht. „Jeder von uns hat so seine Macken und ich habe nun einmal ein großes Ego“, war das Einzige, was Cipollini dazu anmerken mochte.
Nach dem zweiten Tag des Giro kam der Mann mit den schnellen Beinen dann jedoch nicht umhin, etwas zu seiner Kleidung zu sagen. Denn mit einem Streich gewann er auf dem Tagesabschnitt zwischen Groningen und Münster gleich drei Wertungstrikots der Italien-Rundfahrt: das rosafarbene des Gesamtführenden, das violette des besten Sprinters und das blaue der komplizierten Intergiro-Wertung, für die man bei Zwischenspurts punkten kann. „Ich hoffe, dass es morgen nicht zu warm wird, damit ich alle drei anziehen kann“, feixte er über sein gelungenes Husarenstück und das seiner Mannschaft.
Diese Mannschaft gäbe es wohl gar nicht, hätte Cipollini nicht den zugegebenen Defekt eines „großen Egos“, wie er selbst sagt, einer narzisstischen Neigung, die hervorragende selbstdarstellerische Qualitäten mit sich bringt. Sicher, Cipollini ist einer der größten Rennfahrer unserer Tage, der Sieg am Sonntag im Münsterland war der 171. seiner Karriere und sein 35. Etappensieg bei einem Giro. Ein Superstar ist Cipollini in Italien jedoch vor allem, weil es er versteht, sich in Szene zu setzen.
Diese Qualitäten veranlassten den Sponsor seiner Mannschaft, den Kosmetikhersteller Acqua e Sapone, im vergangenen Jahr dazu, ein Experiment zu wagen: Erstmals im Radsport wurde ein Team nur um eine einzige Person herum aufgebaut. Acqua e Sapone hat nicht das Ziel, als Mannschaft bei vielen Rennen erfolgreich zu sein, sondern einzig, die Siegliste von Cipollini zu verlängern. Alle Fahrer sind persönliche Helfer von Cipollini, ausnahmslos.
Bislang ging das Konzept auf. Cipollini gewann gleich zu Beginn der Saison das bedeutendste italienische Eintagesrennen, Mailand–San Remo; im Trikot des Weltcup-Führenden fuhr er zu den Frühjahrsklassikern nach Belgien, gewann dort prompt den Halbklassiker Gent–Wevelgem. Und jetzt schickt er sich an, die erste Woche des Giro zu dominieren, die Woche der Flachetappen, in der die Sprinter gefordert sind.
Bei seiner alten Mannschaft, Saeco, gewann Cipollini zwar auch seine Sprints, doch hatte er dort am Ende das Gefühl, nicht mehr die Untersützung zu bekommen, die er verdient: „Man dachte, meine Zeit sei vorbei, weil ich 34 Jahre alt war.“ Beim letzten Giro sprach er darüber mit Vincenzo Santoni, einem anderen Unzufriedenen – und die beiden hatten eine Idee. Santoni war Manager des Teams Cantina Tollo, das keine Perspektive mehr hatte – und so bot er Cipollini an, mit ihm gemeinsam eine neue Truppe aufzubauen.
Acqua e Sapone, bislang nur Co-Sponsor der Mannschaft, stieg als neuer Titelsponsor in das Konzept ein – und Cipollini durfte sich die Fahrer aussuchen, die er haben wollte. Darunter war auch Giovanni Lombardi, der bislang beim Team Telekom auf der Lohnliste stand, dort jedoch im Schatten von Erik Zabel ein wenig verkümmerte. Nun ist Lombardi Cipollinis wichtigster Mann, er verhalf ihm zum Triumph in San Remo und auch in Münster lobte Cipollini wieder die Arbeit seines Freundes. Wie Cipollini versucht auch der zweite Star unter den italienischen Radprofis, Marco Pantani, seit Jahresbeginn mit einem Ein-Mann-Team zurück auf die Erfolgsspur zu kommen. Nach einem Machtkampf mussten Manager und Sportdirektor seines Teams Mercatone Uno gehen, Pantani konnte nach Gusto ein neues Team zusammenstellen. Mit diesem möchte er jetzt den Giro gewinnen. Ein neuer Trend, so Cipollini, sei die Ein-Mann-Konstruktion jedoch nicht: „Das sind zwei Einzelfälle, und das geht nur, weil Marco und ich starke Persönlichkeiten sind“, sagt Cipollini. SEBASTIAN MOLL
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