Der Harmoniker verstimmt

Der designierte CDU-Landeschef Stölzl vermeidet bei der ersten Personalentscheidung Konflikt mit Frank Steffel: Generalsekretär wird nicht Favorit Alexander Kaczmarek, sondern Verena Butalikakis

von STEFAN ALBERTI

Christoph Stölzl ist nicht nur belesen, er zeigt es auch gern, zitiert breit gefächert, mal Kästner, mal Kennedy und oft die Bibel. Bei seiner Bewerbungsrede als CDU-Landeschef in zehn Tagen müsste er Karl Valentin bemühen. „Mögen haben wir schon gewollt, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.“ Einen breiten Neuanfang mit den fähigsten Köpfen hat Stölzl der Berliner Union bei seiner Tour durch ihre Kreisverbände versprochen. Stattdessen wird er mit einem Kompromiss aus dem Parteitag gehen: einem Vorstand ohne seinen Wunsch-Generalsekretär, mit wenigen neuen Gesichtern – und ohne wichtige Köpfe jener Gruppe, die ihn überhaupt erst zur Kandidatur brachte.

Alexander Kaczmarek, den liberalen Abgeordneten aus Neukölln, der auch schon mal Vizefraktionschef war, wollte Stölzl zum Generalsekretär machen. Es wäre eine Kraftprobe geworden. Kaczmarek ist so ungefähr der Letzte, den Fraktionschef Frank Steffel auf diesem Posten sehen will. Ein anderer sollte es machen, der Exgeneralsekretär Gerhard Lawrenz. Stölzl hat es nicht auf ein Kräftemessen ankommen lassen. Stattdessen wird er – um Harmonie bemüht – dem Parteitag Verena Butalikakis als „Generalin“ vorschlagen.

Zur Begründung fällt ihm, dem sonst so Wortgewandten, nicht viel Neues ein. Schubladen bedient Stölzl stattdessen: Die erste Generalsekretärin eines CDU-Landesverbands; eine angeheiratete Griechin, passend zum multikulturellen Flair Berlins. Und nicht zuletzt: langjährige Erfahrung auf den verschiedenen Ebenen der Partei und der Politik. Von bahnbrechenden Ideen und Weitsicht ist wenig zu hören.

Drei weitere Vorschäge für den 21-köpfigen Landesvorstand hat Stölzl am Montagabend gemacht. Die Ausländerbeauftragte des Bezirks Tempelhof-Schöneberg, Emine Demirbüken, soll neu in die Parteispitze, dazu eine frühere Bundesvorständlerin der Jungen Union und ein Mann aus der Wirtschaft: Thomas Klein, Vorstandschef bei dem Pharmaunternehmen Noxxon Pharma AG und ein Rückkehrer in die Parteipolitik: Bis 1996 war er Generalsekretär der Brandenburger CDU. Stölzl hat sich noch nicht geäußert, welche Positionen sie übernehmen sollen und wer als Schatzmeister künftig Geld ranschaffen soll.

Andere haben hingegen abgewunken, auffälligerweise gerade die üblichen Verdächtigen im liberalen Lager der Union. Peter Kurth etwa, der frühere Finanzsenator, jetzt Vorstandsmitglied beim Entsorgungsriesen Alba. Die Zeit reiche nicht aus, sagt er, da sei ja auch noch das Abgeordnetenmandat. Wenn er das über den Parteivorsitz sagen würde, für den er auch mal im Gespräch war, wäre das nachvollziehbar. Aber für einen Beisitzerposten? Hellersdorf Vorzeige-Abgeordneter Mario Czaja verweist darauf, dass er Vizechef der Fraktion ist und abgesprochen sei, nicht dieselben Gesichter an der Spitze von Partei und Fraktion zu platzieren. Sein Kreisverband habe für den Vorstand mehr Leute zu bieten als nur Abgeordnete. Andere wollen angeblich folgen, auch wenn der Neuköllner Kreischef und Exsenator Wolfgang Branoner anders lautenden Meldungen widersprach und doch zur Verfügung stehen will.

Jede Erklärung für sich allein könnte durchgehen. Doch gehörten gerade diese Männer zu der Gruppe liberaler Abgeordneter, die Stölzl im Februar zur Kandidatur brachte. Keiner von ihnen mag offen bestätigen, was andere hinter vorgehaltender Hand sagen: dass sie ein Stück weit von Stölzls Schmusekurs mit Steffel enttäuscht sind, dass Stölzl Kaczmarek als Generalsekretär hätte durchsetzen sollen, dass der zukünftige Parteichef noch immer kein klares Konzept eines Neuanfangs vorgelegt hat.

Andere, die gerade nicht als liberal gelten, wollen durchaus im neuen Landesvorstand dabei sein, auch wenn sie schon Multifunktionär sind. Kai Wegner etwa, derzeit schon stellvertretender Landeschef, CDU-Kreisvorsitzender in Spandau, Vize der Abgeordnetenhausfraktion, Landesvorsitzender der Jungen Union und Bundestagskandidat. Der kann sich vorstellen zu kandidieren, und sei es nur, um im Vorstand die JU zu vertreten.

Wegner, dessen Spandauer Kreisverband als die Stahlhelmfraktion in der Union gilt, hätte lieber Steffel als Parteichef gesehen. Doch die vermeintliche Niederlage wiegt nach den jüngsten Entscheidungen des designierten Vorsitzenden nicht mehr allzu schwer. „Ich war ja auch ein bisschen skeptisch, was Stölzl angeht, aber mittlerweile finde ich ihn richtig spannend.“