: „Gesucht wurde ein Sparkommissar“
Der frühere Polizeipräsident von Bonn, Michael Kniesel (SPD), gehörte zu den Konkurrenten von Dieter Glietsch. Er kritisiert, dass man einer politischen Entscheidung den Anschein eines objektiven Verfahrens geben wollte
taz: Herr Kniesel, Sie waren zumindest eine Zeit lang ein aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Polizeipräsidenten. Sind Sie enttäuscht, dass Sie es nicht geworden sind?
Michael Kniesel: Die Aufgabe hätte mich gereizt. Aber ich kann mich damit trösten, dass ich ein interessantes Angebot aus der freien Wirtschaft annehmen kann.
Es wird gemunkelt, Ihre Kandidatur sei unter anderem an Bundesinnenminister Otto Schily gescheitert. Schily habe Veto eingelegt, weil er keinen unbequemen Geist vor seiner Haustür haben wollte. Sind Ihnen solche Gerüchte bekannt?
Wer eigene konzeptionelle Vorstellungen von innerer Sicherheit hat und diese auch durchzusetzen gewillt ist, der hat nicht viele Freunde. Insoweit kann ich durchaus nachvollziehen, wenn es heißt, der Innenminister habe vor seiner Haustür lieber einen pflegeleichten Kandidaten haben wollen.
Sie waren zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch in Berlin. Wie läuft so etwas ab?
Ich war schon erstaunt, dass man in einer guten Stunde in einem Frage-und-Antwort-Spiel, das auch die Belange von Personalrat und Frauenbeauftragter zu wahren hatte, den richtigen Kandidaten ermitteln wollte. Über das Niveau der Fragen lässt sich streiten. Zusätzlich hat mich irritiert , dass das Verfahren unter der Aufsicht des Bundes stattfand.
Was wird ein Kandidat denn so alles gefragt?
Wie man eine längere Bürodienstzeit in der Behörde umsetzen kann. Oder was man gegen einen arroganten Kriminaloberrat unternimmt, der Frauen nachstellt.
Um konzeptionelle Vorstellungen ging es gar nicht?
Nein. Ich hatte erwartet, dass es um Vorstellungen der Bewerber zur Kriminalitätsbekämpfung – insbesondere um den Kampf gegen die organisierte Kriminalität – gehen würde. Oder dass die hauptstadtspezifischen Sicherheitsaufgaben – insbesondere was das Demonstrationsgeschehen angeht – maßgeblich sein würden. Das war aber nicht der Fall. Man suchte wohl einen Sparkommissar und nicht den Präsidenten einer Haupstadtpolizei.
Sie kennen Herrn Glietsch. Haben Sie den Eindruck, dass er nur wegen seines SPD-Parteibuchs den Zuschlag bekommen hat, wie die Opposition meint?
Ich habe nicht verstanden, dass sich die politisch Verantwortlichen über Monate hinweg eine Mediendiskussion über das richtige Parteibuch des Polizeipräsidenten haben aufzwingen lassen. Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass der Mann an der Spitze einer Landespolizei das uneingeschränkte Vertrauen des Innensenators haben muss. Da kann man doch nicht so tun, als sei gerade das Politikfeld innere Sicherheit parteipolitisch steril.
Was halten Sie fachlich von Herrn Glietsch?
Ich hätte keinen besseren Exekutivbeamten für dieses Amt gekannt. Ich wünsche ihm eine glückliche Hand.
Wenn Sie das Bewerbungsverfahren noch einmal Revue passieren lassen, wo lag der entscheidende Fehler?
Ich denke, dass die politisch Verantwortlichen inzwischen selbst wissen, wie man das Verfahren professioneller hätte gestalten können. Der Fehler lag wohl darin, dass man eine politische Entscheidung mit dem Anschein eines objektiven Verfahrens verbrämen wollte.
INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE
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