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Der Schrei der Plastiktüte

■ 12 Malerinnen im Banne einer opferbereiten Dichterin: Christiane Palm-Hoffmeister bringt ihrer Anthologie „Frauen Leben Kunst“ Lyrik und bildende Kunst zusammen

Gleich in dem ersten Gedicht der Anthologie „Frauen Leben Kunst“ ist klar zu erkennen, warum gerade für die taz dieses Buch von besonderem Interesse ist: „Ich bestelle die Tageszeitung ab und abonniere eine tägliche Lieferung Poesie“.

Na, die Dichterin Christiane Palm-Hoffmeister wird hoffentlich nicht ihre eigenen Verse meinen, sondern die der großen Meister, wie Morgenstern, Goethe und Heine, die sie in ihrer Kindheit vor dem Verhungern gerettet haben. Christiane Palm-Hoffmeister hat sich vor langer Zeit auf die Suche gemacht, zunächst, wie das so üblich ist, nach sich selbst, und später nach regionalen Künstlerinnen, „die wunderbar lebendig, mit beeindruckendem Kenntnisreichtum und überraschender Vielseitigkeit dem zu bewältigenden Alltag die Zeit für die Kunst abringen.“, heißt es in dem Buch, das Lyrik und Kunst verbinden soll.

Palm-Hoffmeister bringt den Beweis: Frauen können malen und dichten! Das klingt so wie: Frauen können denken. Und so reihen sich Bild an Bild die Werke der zwölf Malerinnen, von denen nur knapp die Hälfte etwas zu sagen hat, das über die eigene Person. hinausgeht.

Leider haben die Bilder keine Chance für sich zu stehen, da sie immer durch eine zusätzliche Erklärung der Künstlerin oder der Herausgeberin ergänzt werden. Immerhin erfahren wir so, warum diese Frauen malen: „Die Malerei kostet mich viel Kraft und bringt große Freude.“ (Helga Bulmahn), oder: „ Kunst ist für mich Spiel und Meditation.“ (Inge Beimel)

Außerdem erklärt ausgerechnet die jüngste aller Künstlerinnen, Kerstin Friedrichs, etwas über einen wirklich erweiterten Kunstbegriff: „Ohne das Konkrete zu beherrschen, funktioniert das Abstrakte nicht.“, und sie ist froh über ihre solide Ausbildung.

Und dann sind da immer wieder die Gedichte von Christiane Palm-Hoffmeister, die die Bilder miteinander verbinden. „Mein Herz ist groß und leer und schreit nach Inhalt wie eine Plastiktüte“- und die Schreie der Plastiktüten sind in diesem Buch ständig zu hören.

Leider, denn im Gegensatz zu dieser Opferbereitschaft stehen die expressiven Bilder von Monika Mohrmann-Wulf und Barbara Baum und die Silberstiftzeichung von Marion Schwarz, deren Bild auch auf dem Buchumschlag zu sehen ist. So erweckt das Buch zunächst Interesse, gibt aber nicht das her, was es von außen verspricht.

Alice Schwarzer hat Verona Feldbusch zur einzigen Ohrfeige für uns Frauen gekürt. Sie irrt, es gibt noch eine im ländlichen Raum: Christiane Palm-Hoffmeister. In ihrem Buch bestätigt sie jegliche Vorurteile, die gegen Frauen bestehen und führt die denkbar schlimmste Version dessen vor, was weibliche Ästhetik sein kann.

Warum macht sie das? Lassen wir die Dichterin noch einmal zur Wort kommen: „zahnlos wehre ich mich mit Schreiben gegen die schreiende Ungerechtigkeit.“ – ich mich auch.

Silke Schumacher-Lange

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