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Einmal Champus und zurück

Raus aus der Fischfabrik, rein in den Zeittunnel: Bruno Bozzetto hat in den Siebzigern seinen Zeichentrickhelden Herrn Rossi das Glück suchen lassen. Jetzt werden die Comic-Utopien vom träumenden Arbeiter wieder im Kino gezeigt

Glücksritter und Glück Suchende gab’s wohl zu allen Zeiten. Herrn Rossi „fehlt ein Stück vom Glück“ singt ein Chor. Das klingt schön harmlos wie aus der TV-Grabbelkiste. Die Platte mit dem Rossi-Soundtrack ist längst ein Retro-Hit. Nun kommt die italienische Serie zur Rückschau auf Kindertage ins Central-Kino.

Der animierte Herr mit dem großen Kopf und den mickrigen Beinen: Herr Rossi ist Fließbandarbeiter in einer Fischfabrik. Morgens auf dem Weg zur Fabrik geht der Stress schon los. Eigentlich könnte Proletarier Rossi bequem zur Arbeit kommen, denn sein Chef wohnt gleich ums Eck. Der fährt mit der Limousine, Rossi muss sich in den engen Bus stopfen lassen.

Eine Fahrgemeinschaft ist undenkbar. So simpel, aber anschaulich und hübsch bunt wie im Märchen, werden noch in den Siebzigern die Klassengegensätze skizziert. Jedenfalls im damals noch armen und klassenbewussten Italien in einer Fernsehlandschaft vor Berlusconi.

Sieht man die Folgen der zwischen 1975 und 1978 produzierten Fernsehserien „Herr Rossi sucht das Glück“ oder „Herr Rossi macht Ferien“ (jeweils zwölf Episoden in einem Block) mit einem Vierteljahrhundert Distanz, kommen sie einem fast wie aus den Fünfzigern vor. Der sozialkritische Impetus wirkt recht angestaubt, harmlos, ja naiv und irgendwie niedlich. Den Job von Herrn Rossi würde heute wohl ein schlecht bezahlter Immigrant verrichten, Rossi würde längst Fiat oder Mercedes fahren, und der Chef wäre unsichtbar.

Schon im Vorspann der Kurzfilme, die nun hintereinander gezeigt werden, errichten die Zeichner die schmale Utopie eines träumenden Arbeiters: Speiseeiskugeln in Massen oder mal ein Gläschen Champagner. In der realen Arbeitswelt waren schon solche Kleinstglücke kaum erreichbar, deshalb lässt Zeichner Bruno Bozzetto Herrn Rossi in Begleitung seines treudoofen Hundes (in dem manche Interpreten damals die absente Frau Rossi verkörpert sehen wollten) Zeitreisen erleben. Eine gute Fee, schenkt Rossi und Hund Gastone eine Pfeife, mit der sie sich timetunnelartig durch eine superbunte Röhre in andere Zeitalter beamen. Ob sie in der Steinzeit, im Mittelalter oder in der Zukunft des Jahres 3000 mit fliegenden Häusern landen, ob sie bei den Römern in der Arena fast von wilden Tieren verspeist werden, oder ob sie Robin Hood treffen, einer ist immer schon vor ihnen da: der Chef.

Das ist der ganz spezielle Horror, der im Endeffekt recht kleinbürgerlichen Utopien. Der Hierarchie der Arbeitswelt entgeht man nirgends – eine recht ernüchternde Fluchtperspektive. In all den anderen Sphären, in die das Duo gerät, ist es letztlich gefährlicher und vor allem ungemütlicher als in der Gegenwart daheim. Also pustet Rossi immer, wenn es gefährlich wird, schnell in seine Zauberpfeife. Dann ist er wieder in seinem vetrauten Haus und freut sich. Bis er am nächsten Morgen wieder zu den Fischdosen muss, die es zu füllen gilt.

Sieht man mehrere Episoden von Rossis Abenteuern, scheint er in einem verzweifelten Utopie-Loop zu leben, aus dem es kein Entrinnen gibt. Der Chef übrigens wurde vom Zeichner dem damaligen Leiter des Filmfestivals von Annecy nachempfunden, der hatte einen Zeichentrickfilm abgelehnt. Eine sehr erfolgreiche Rache.

ANDREAS BECKER

Bis 22. 5.: „Herr Rossi sucht das Glück“;23.–29. 5.: „Herr Rossi macht Ferien“;und 30. 5.–5. 6.: „Herr Rossi träumt“.Alle im Kino Central.

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