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Teerklumpen zu Ölaktien

Münsteraner Künstler wird neuer BP-Vorstandschef – oder vielleicht auch nicht

Der Vorstandschef von British Petrol (BP) heißt Lord John Browne. Noch. Denn wenn die die Pläne eines Münsteraner Künstlers wahr würden, könnte der nächste BP-Chef Ruppe (bürgerlich: Ruprecht Reinhard Johannes) Koselleck heißen. Er hält es zwar selber für ein „nahezu aussichtsloses Unterfangen“, dass er den veritablen Lord im Amt beerben wird, aber gehörte es nicht immer schon zu den Aufgaben der zeitgenössischen Kunst, Unumstößliches in Frage zu stellen und Visionen in den Köpfen der Menschen zu entfachen?

Die Idee der Übernahme des BP-Konzerns kam dem Künstler im Sommerurlaub 2001 an der Nordsee im niederländischen Juliandoorp. Beim gemeinsamen Burgenbau mit seiner Tochter trat er auf Teerklumpen, die bei großer Hitze hartnäckig zwischen den Fußzehen haften blieben.

Es sei nicht unwahrscheinlich, dass diese Ölreste von BP stammen, meint Koselleck, schließlich betreibe der Konzern mehrere Bohrinseln auf der Nordsee. Kosselleck begann diese Ölreste zu sammeln. Als 13-Gramm-Packung kann man diese kleinen Teerbrocken, die wie Lakritz aussehen – verpackt in einer kleinen Plastikbox aus dem Baumarkt – inzwischen beim ihm als Kunstwerk, als „Teerarium“, kaufen. Zum doppelten Preis einer BP-Aktie, die derzeit je nach Tagesnotierung immer so um die 9 Euro kostet.

Von diesem Geld kauft Koselleck, Sohn eines bekannten, inzwischen emeritierten Bielefelder Geschichtsprofessors, dann eine BP-Aktie, den Rest des Geldes verwendet er für die Ernährung seiner Familie. „Ich kaufe den Konzern also über seinen Müll, seinen Ausstoß“, erklärt er sein langfristig angelegtes Übernahmemodell. Da BP fraglos ein „global player“ ist, lässt Koselleck durch befreundete Künstler inzwischen ebenfalls weltweit an den Stränden dieser Welt Teerklumpen sammeln. „Nachschubprobleme für meine Teerarien werde ich nie bekommen.“

Nicht von ungefähr hört man aus dieser künstlerischen Aktion eine Globalisierungskritik à la Attac heraus, Koselleck gehörte mal zu den Gründungsmitgliedern der Grünen. Am Ende seiner Bestrebungen sollen die „ökologische Einflussnahme auf die Petrochemie“, das 3-Liter-Auto als Regelmodell und natürlich teerfreie Strände stehen. Koselleck hätte sich natürlich auch einen anderen Mineralölkonzern als „Kriegsgegner“ aussuchen können, aber BP schien ihm besonders geeignet, da BP „intensiv mit seinem Öko-Image wirbt“, wie der Künstler festgestellt hat. Zum Beleg dafür hat er Imagebroschüren von BP gesammelt, die von idyllisierenden Naturaufnahmen geprägt sind und elegische Titel tragen wie „Wer die Natur betrachtet, sieht die Welt mit anderen Augen“. BP schweigt bislang beharrlich zu diesem Versuch einer ökologisch-künstlerischen Übernahme. „Wir sind im Moment mit der Integration von Veba und Aral beschäftigt und haben für Münsteraner Aktionen keine Kapazitäten frei“, bat die Pressestelle um Verständnis. Selbst als sich eine kleine Delegation von BP-Mitarbeitern, die sich auf Tankstelleninspektionsreise im Münsterland befand, in Kosellecks zeitweise öffentliches „Büro für deflationäre Maßnahmen“ in der Münsterschen Stadtgalerie verlief, kam es zu keiner Konfrontation. „Auch als ich mich denen als ihr zukünftiger Vorstandschef vorstellte, reagierte nur einer sauer“, erzählt Koselleck, der Rest hätte sich eine von ihm herausgegebene und gestaltete Postkarte gekauft. Titel: „Das Leben ist zu kurz für den falschen Job.“

Ehe Koselleck seinen neuen Job bei BP antreten kann, werden wohl noch etliche Ölreste in der Nordsee verklappt werden. Bislang hat der Münsteraner Ideenkünstler für seine, wie er sagt, „absurde Form ökologischen Handelns“ erst 25 Käufer begeistern können, die er mit Namen und Tageskurs der BP-Aktie in einem großen Kontorbuch verewigen konnte.

Aber in dem Kontorbuch ist noch Platz, sehr viel Platz, zu viel Platz. Und Westfalen können bekanntlich zäh sein, so zäh wie Teerreste zwischen den Zehen. Eine Kontaktaufnahme zu Ruppe Koselleck ist möglich über eine E-Mail an ruppe@fylmklasse.de

FRANK BIERMANN

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